Kremsmünster

Einst befand sich Gunter, der Sohn des Bayernherzogs Tassilo, auf der Jagd in der Nähe des Flusses Krems. Er trieb ein ungeheures Wildschwein auf und rannte dem starken Tiere den Jagdspieß in den Leib, wurde aber in dem harten Kampfe von den Hauern des wütenden Ebers so arg verletzt, daß er zu Boden sank und einsam verblutete.

Ein Jagdhund wies Gunters Begleitern, die ihren Herrn vermißten, den Weg zu einem kleinen Teiche, an dessen Ufer sie zu ihrem Entsetzen die Leiche fanden.

Als Herzog Tassilo die Schreckenskunde erfuhr, eilte er von Enns, wo er sich eben aufhielt, an die Unglücksstätte. Der Schmerz des Vaters war unbeschreiblich. Bis in die tiefe Nacht saß der gebeugte Mann an der Leiche seines Sohnes. Da brach ein großer Hirsch aus dem Walde und näherte sich dem Lager. Sein Geweih war mächtig und ein wunderbarer Glanz ging von demselben aus, wie von flammenden Fackeln.
Verwundert sah Herzog Tassilo die seltsame Erscheinung und sie dünkte ihm eine Mahnung des Himmels, dem Andenken seines Sohnes an dieser Stelle ein Denkmal zu setzen. Er ließ eine hölzerne Kapelle errichten, die später zu einer großen Kirche erweitert wurde, in der er Gunters Leiche beisetzen ließ. Um die Kirche wurde ein stattliches Kloster erbaut, in das der Herzog Benediktinermönche berief; auch begabte er das Stift mit reichen Ländereien.

So entstand die Abtei Kremsmünster, das Münster am Flusse Krems, das seine Gründung in das Jahr 777 verlegt.

Hans Fraungruber

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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