Die steinernen Linsen von Guttaring
Bei Guttaring in Kärnten bildet die Gegend eine nach einer Seite offene Mulde, in der sich viele Seemuscheln und Seeschnecken finden; wenn die Landschaft war vor undenklichen Zeiten vom Meer überflutet. Manche Felder daselbst sind mit linsenförmigen Steinen übersät. Spaltet man einen solchen, so zeigt sich inmitten ein schwarzes Kreuz. Diese Steine werden die Linsen von Guttaring genannt und von ihrer Herkunft erzählt man sich folgende Sage.
Als am Vorabend eines Feiertages die Aveglocke alle Gläubigen zur Kirche rief, blieb noch ein Bauer auf seinem Acker und säte Linsen aus.
Da kam ein frommer Mann des Weges vorüber, der ermahnte den Arbeitenden, er möge die Feierstunde ehren und nicht die Strafe des Himmels herabbeschwören. Aber der Sämann lachte höhnisch und rief zurück:
„Furcht ist nicht meine Sache. Ich säe weiter und sollten auch all meine Linsen zu Stein werden!“
Als nach Wochen die Felder ringsum zu grünen begannen, weil die junge Saat sich regte, da blieb allein der Acker des frevelhaften Sämannes wüst und öde. Und als er die Schollen aufwühlte, um nach dem Samen zu forschen, siehe, da waren alle Linsen zu Stein geworden.
Hans Fraungruber
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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