Das Salinger Fräulein
Einem Bauer in Schleiß war seine Magd gestorben und es war gerade Sommer und die Heumahd vor der Tür. Er sah sich links und rechts um eine tüchtige Dirn um: allein alles Suchen war vergebens; denn in jedem Hause und in jeder Hütte hatte man selbst vollauf zu tun und konnte keiner Hand entbehren. Das Heu auf den Mähdern war reif und da war bei unserm Bauer der gute Rat teuer. Endlich nahm er seine Sense und fing an zu mähen, daß ihm der Schweiß von der heißen Stirne tropfte. Er hatte noch nicht lange gearbeitet, da kam plötzlich ein frisches Bauernmädel auf ihn zu und bot ihm ihre Dienste zum Mahde an. Der Bauer maß mit den Blicken die kernige Gestalt vom Scheitel bis zu den Zehen, sie gefiel ihm und er freute sich, eine so rüstige Gehilfin zufällig gefunden zu haben. Noch mehr verwunderte er sich aber, als er die schöne Dirne mähen und worfeln sah; denn sie arbeitete so wacker, daß es jede Ahnung überstieg. Als es Mittag war, war schon die ganze Wiese abgemäht und das Heu stand in Hocken und schmorte und dorrte, daß es eine Lust war. Der Bauer konnte sich nicht genug wundern und fuhr nach Hause, um seinen Leiterwagen und seine Ochsen zu holen. Als er zurückkam, fand er das Heu schon ganz und gar dürr und staunte und die fremde Dirne gefiel ihm über die Maßen. „Willst du nicht zu mir in den Dienst gehen? Ich zahle dir was du willst,“ fragte der Bauer. – Die schlanke, weiße Dirne schüttelte aber bedeutungsvoll „Nein“. Der Bauer wandte alle seine Beredsamkeit auf, um die liebe Dirne zu bewegen; allein alles war umsonst. Da nichts und gar nichts fruchtete und alles vergebens war, machte der Bauer zum verdrießlichen Spiele ein gutes Gesicht und ging ans Aufladen. Die Dirne schwang sich auf den Wagen und lud das Heu, das ihr der Bauer reichte, höher und höher, so daß bald der ganze Wagen vollgeladen dastand. Wie nun der Wagen voll und hoch geladen war, stieg der Bauer auf das Fuder, um den Wiesbaum zu befestigen. Der Bauer war aber ein schlauer Patron und wollte nebenbei auch der schönen, emsigen Dirne, die ihm so in die Augen stach, und die doch nicht mit ihm gehen wollte, eine Falle legen. Denn als sie droben auf dem Heu kniete und noch manches am schönen Fuder ordnete, legte er den Wiesbaum so, daß ihr linker Fuß von demselben eingeklemmt wurde, so daß sie nicht mehr weg konnte. Als sie das merkte, warf sie ihm einen bittenden und vorwurfsvollen Blick zu, sprach aber kein einziges Wort. Der Bauer dachte, nun habe ich den losen Vogel doch gefangen, stieg vom Wagen herunter, schwang die Geißel, daß der Knall aus dem nahen Walde wiederhallte, und fuhr wohlgemut seinem Dorfe zu. Als er aber eine gute Strecke gefahren war und sich schon der künftigen Dirne freute, empfand er plötzlich einen Riß am linken Beine und zugleich glaubte er ein Husch, Husch! Hinter sich zu hören, als ob ein Vogel aufflöge. Er sah verwundert um und auf den Wagen, aber keine Dirne war mehr zu sehen. Sie war verschwunden und erst jetzt merkte der Bauer, daß sie ein Salinger Fräulein gewesen sei. Der Bauer fuhr nun vorwärts, allein sein eigenes Fuhrwerk wollte nicht mehr gehen; denn er wackelte hin und her, und als er näher sich beschaute, sah er, daß er mit dem linken Fuße hinkte. Er mochte versuchen und tun, was er wollte, er bleib zeitlebens hinkend. Und als er nach vielen, vielen Jahren starb, hinkten seine Söhne und Enkel mit der Leiche und jetzt noch sollen seine männlichen Nachkommen hinken; und das hat das Salinger Fräulein getan.
Brüder Zingerle
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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