Die Teufelskanzel bei Kufstein

Bei Kufstein am Inn wird dem Fremden die Teufelskanzel gezeigt, ein Felszack, an den sich eine Sage knüpft.
Dort lagere einst eine übermütige Gesellschaft von Burschen und Dirnen die sich an toller Lustbarkeiten nicht genug tun konnte und jeder Ermahnung ehrbarer Menschen spottete. In Trunk, Sang und Tanz verflogen die Sunden, der Mond zog auf, die Lichter blitzten aus den Fenstern der Stadt herüber, da kam noch ein greiser Mann des Weges, der die leichtfertige Schar mit eindringlichen Worten anwies, nach Hause zu gehen, wie es in so später Weile Brauch anständiger junger Leute sei. Aber die von Wein und Jubel erhitzte Rotte trieb den Warner mit Hohn und Schimpf von dannen.

Auf einmal gewahrten sie auf der Felsklippe, um die sie ihren Reigen wanden, einen hageren Mann in dunklem Gewande; von seiner Kappe nickte eine rote Hahnenfeder und die Stimme klang heiser wie Rabengekrächze. „Recht habt ihr,“ lachte er hernieder, „laßt die tugendhaften Narren schwätzen! Ich predige euch eine andere Weisheit, die Lebenslust, die Freude des Selbstvergessens, die Wonne des tollen Augenblicks. Wer hält zu mir?“

„Alle,“ schrie es ihm entgegen, „juchhe, wir folgen dir!“

Da dröhnte ein dumpfes Krachen über das Ufer hin, gellendes Gelächter und grauses Wehgeschrei erscholl, dann ward es totenstill.

Die breite Felsplatte war eingebrochen und hatte unter ihren Trümmern die gottlose Gesellschaft zerschmettert. Nur ein öder Zacken ragt noch gen Himmel, die Stelle, von der des Bösen Lockung an seine Beute niederklang.

Hans Fraungruber

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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