Die verfluchte Luft
Im Erzgebirge war einmal ein Mann, der hatte viele Taler in seinem Wandschränklein; und damit er noch mehr Silber zusammenbrächte, wollte er es sich selbst aus der Erde graben lassen. Er nahm daher Bergleute in Arbeit und befahl ihnen, einen tiefen Schacht zu schlagen an der Stelle, wo man ihm sagte, daß viel Silber in der Tiefe liegen müsse, und sie trafen auch wirklich auf einen reichen Erzgang, der sich in die Berge hineinzog. Da riet man dem Bergherrn, tiefe Strecken und Stollen und neue Schachte anzulegen, um zu dem vielen Silber zu kommen; aber das war schwere Arbeit und kostete viel Geld und dem Manne ward leid um die Taler, die aus dem Wandschränkchen herausmußten. Mit jedem Griff in das Schränkchen ward ihm der Arm schwerer und die Hand langsamer und die Stirne runzelte sich mehr und er warf einen Haß auf die Arbeiter, welche die blanken Taler forttrugen und nur mageres Erz brachten; denn seine Ungeduld, die Silberader zu sehen, war ungebührlich groß. Als ihm nun die Bergleute am nächsten Lohntage sagten, die Arbeit werde schwerer, er möge den Lohn erhöhen, da ward er zornig und nannte sie faule Knappen, die es darauf anlegten, ihn um seine Taler zu bringen.
Als sie am folgenden Lohntage ihm aber die erste Silberstufe brachten, da lachte ihm beim Anblick das Herz im Leibe; er nannte die Arbeiter seine lieben Bergknappen und sie sollten nur fleißig weiter und recht tief in den Berg hineingraben.
So kamen sie in den Berg hinein; aber die Erzmittel wurden an der Stelle wieder ärmer und der Bergherr mußte mit seinen alten Talern wieder ausrücken.
Da ward er ungeduldig und lästerte die Arbeiter, die gewiß den Gang verfehlt hätten, und schimpfte auf den ganzen Bergbau, der nur Silber kostete und keines bringe, und er warf den Arbeitern die Löhnung vor die Füße und sagte, sie sollten nicht mehr mit leeren Händen kommen.
Da kamen sie am nächsten Tage mitten in der Arbeitswoche, jeder mit einem Trog voll Silberstufen und riefen: „Glück auf! wir haben ein edles Geschick angefahren.“
Der Bergherr wechselte die Farbe beim Anblick des gediegenen Silbers, des rubinhellen Rotgüldens, des wunderbaren Glaserzes und zitterte vor Freude an allen Gliedern und nannte die Arbeiter seine lieben Freunde und drückte ihnen die schwielige Hand.
Da baten sie, er möge einen neuen Schacht schlagen lassen; denn sie seien so weit in der tiefen Strecke, daß die frische Luft nicht mehr wechsle, es brenne kein Licht mehr und man könne nicht mehr ohne Anstrengung atmen.
Der Bergherr wechselte wieder die Farbe und wurde blaß vor Schrecken; denn der neue Bau konnte ihn wieder viel aus dem Wandschränklein kosten, und er sagte, zu dem Bau könne er sich nicht entschließen, bis er nicht das Silber selbst gesehen hätte.
Die Arbeiter gingen und versuchten zu arbeiten; aber das Licht brannte nicht mehr und sie schickten nach dem Bergherrn.
Der lief herbei im hellen Zorn und brachte Wachsfackeln und wollte selbst hinein, sein Silber zu sehen und die Arbeiter mit ihren Ausreden über die Luft Lügen zu strafen. Mit drei Wachsfackeln kam er unten auf der Schachtsohle an und trieb nun die Arbeiter vor sich in der Strecke her.
Da erlosch die Fackel und der vorderste wandte sich um und sagte, er könne nicht mehr weiter in der bösen Luft.
„Ich will aber mein Silber sehen,“ schrie der Bergherr, Verdacht schöpfend, „mein Silber an Ort und Stelle; denn ihr seid am Ende Betrüger und bringt mich mit fremdem Erz um mein gutes Silber und jetzt soll die verfluchte Luft euer Lügenhelfer sein. Mir die Fackel und Platz vorn, daß ich mein Silber sehe oder euch in den Hungerturm bringe!“ und der Bergherr entriß dem zweiten die Fackel und drang vorwärts. Da erlosch das Licht, dann hörte man den Träger fallen. Die Luft, die er verflucht hatte, hatte ihn erstickt.
Stamm
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein, Hans Fraungruber, Wien, Stuttgart, Leipzig 1911
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2006.
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