Das Goldbergwerk St. Oswald bei Villach

In alter Zeit grub man im Oswaldiberg bei Villach nach Golderzen. Die Ausbeute gab reichen Gewinn, die Goldadern der Grube schienen unerschöpflich zu sein. Nicht nur die Herren des Bergwerkes kamen voll auf ihre Rechnung, sondern auch die Knappen hatten teil am Ertrag und bezogen hohe Löhne, so dass sie ein üppiges Leben führen und sich schöne Summen ersparen konnten. Wohlleben macht übermütig. Das zeigte sich auch bei den Bergknappen; ihr Reichtum verlockte sie bald zu ausgelassenen, rohen Scherzen.

Unweit des Bergwerkes stand eine unscheinbare Hütte, in der eine fromme, alte Frau ihr Leben fristete. Ihr einziger Besitz war eine Kuh. Diese Frau hatten die rohen Bergleute zur Zielscheibe ihres  grausamen  Witzes   erkoren.   Eines  Tages  schickten  sie   das Weiblein mit einem Auftrag in die Stadt Villach und benützten die Zeit ihrer Abwesenheit dazu, einen ihrer bösen Streiche auszuführen. Sie zerrten die Kuh aus dem Stall, schlachteten sie und zogen ihr die Haut ab. Die leere Kuhhaut stopften sie mit Stroh aus und stellten das Scheingebilde wieder zur Krippe in den Stall. Boshaft lachend über ihr Bubenstück suchten sie dann das Weite.

Als die Frau heimkam, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen bald die ruchlose Tat. Jammernd und wehklagend über den Verlust des einzigen, was sie ihr eigen nannte, saß sie am Abend vor der Tür ihrer Hütte. Mitleidige Nachbarn, die die schändliche Tat mit angesehen hatten,  teilten ihr mit,  wer die Kuh getötet hatte.  Da beschloss die Frau, die Strafe des Himmels auf die gottlosen Burschen herabzurufen. Sie ging deshalb in das Nachbardorf, wo einer ihrer Verwandten das Schmiedehandwerk betrieb, und bat den Schmied, ihr eine eiserne Henne anzufertigen. Nachdem die bestellte Arbeit fertig geschmiedet war, trug sie die Henne in das Bergwerk, stellte sie in dem ergiebigsten Stollen auf und sprach einen Fluch über die Golderzgrube aus: „So wenig diese Henne jemals Eier legt, so wenig soll in diesem Berg fernerhin Gold gefunden werden." Es dauerte wirklich nicht lange, so ging ihr Fluch in Erfüllung. Schon nach wenigen Tagen fanden die Knappen, die im Berg nach Gold gruben, statt der reichhaltigen Golderze nur taubes Gestein. Seit jener Zeit ist der Goldreichtum des Oswaldiberges versiegt.

Aus „Sagen aus Österreich", Verlag Carl Überreuter, Wien, 1950.

Quelle: Paul Ippen, Denk- und Merkwürdiges aus dem österreichischen Bergbau, Wien 1965, S. 11 - 12.
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