Der goldgehörnte Gemsbock

Ein Pinzgauer Jäger hatte beim Brautvater um die Tochter angehalten und war von diesem gerade nicht fortgeschickt, doch auf die Zeit vertröstet worden, wo er ihm einen Krug aus Gold bringen könne. Das war für einen Jägerburschen allerdings ein Vertrösten ohne Aussicht auf Erfüllung, denn woher sollte er soviel Geld erwerben.

Ganz traurig ging er daher in den Wald hinaus und klagte unter einem Kreuz dem Herrgott sein Leid. So schwer war ihm das Leid, dass er einschlief. Da sah er im Traum einen weißen Gemsbock mit goldenen Krickeln. Er sah ihn von seinem Schuß fallen, und als er näherkam, bemerkte er am rechten Vorderlauf auch ein goldenes Ringlein. Hochzeitsstimmung überkam ihn und so schlief er bis zum erwachenden Tage.

Dann ging er auf seine Pirsch ins Gebirge hinauf. Da traf er wirklich auf den weißen Gemsbock mit den goldenen Krickeln. Doch dieser entfloh immer wieder. Der Jäger verfolgte ihn drei Tage lang und kam damit tief in die Gasteiner Berge. Endlich war er auf hundert Schritte herangekommen. Seine Büchse krachte und der Bock stürzte. Aber er fiel nicht in die Tiefe, er war mit einem Laufe in einem Felsspalt hängengeblieben. Als der Jäger hinzukam, glänzte ihm aus dem Spalt, in dem sich der Bock verfangen hatte, lauteres Gold entgegen. Das war also der goldene Ring, von dem er geträumt hatte.

Und wie alles, was er im Traum geschaut hatte, in Erfüllung ging, so kam er auch zur Hochzeit mit seinem Schatz, denn jetzt hatte er Gold genug, um dem Schwiegervater einen goldenen Krug auf den Tisch zu stellen.

Aus „Gasteiner Sagen" zusammengestellt von Karl O. Wagner, Verlag Karl Krauth, Bad Gastein.

Quelle: Paul Ippen, Denk- und Merkwürdiges aus dem österreichischen Bergbau, Wien 1965, S. 15.
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