Verwalter Penco

Dipl.-Ing. Clemens Penco war seinerzeit Betriebsleiter des Bergbaus Schneeberg in Passeier. Tüchtig in seinem Beruf, war ihm besonders das Wohl der Belegschaft am Herzen gelegen, wenngleich er mitunter auch etwas derb, ja sogar grob sein konnte; manche nannten es patriarchalisch. Im allgemeinen hatte er ein gutes Herz, die Leute wussten das und vergalten es ihm durch treue Anhänglichkeit. Penco hatte die Aufgabe, die Werksgebäude des alten Bergbaus umzubauen und in Form kasernenartiger Unterkünfte für die Knappschaft neu erstehen zu lassen. Wenngleich sie mit der neuen Bedachung aus verzinktem Eisenblech in die prächtige Hochgebirgslandschaft in keiner Weise passten, praktisch waren sie auf alle Fälle. Die alten Gebäude hatten Schindelbedachung gehabt, daher war ein Einwehen von Schnee bei Schneetreiben möglich. Die Folge bei Tauwetter war dann ein Schmelzen des Schnees und Einsickern des Wassers in die Mannschaftsräume, so dass man wohl oft gezwungen war, ober seinem Strohsack einen Regenschirm aufzuspannen, wollte man halbwegs trocken gebettet sein.

Auch eine Steigerung des Abbaus der Erze hatte Penco durchzuführen. Es gab daher viel Arbeit, besonders durch die Einführung und Anlernung neuer Leute.

Verwalter Penco war Istrianer und der deutschen Sprache wohl mächtig, aber in einer ganz bestimmten Form. Er war auch gezwungen, bestimmte Reformen im Betrieb durchzuführen.

Bis zu seinem Eintreffen war es am Schneeberg unter den Knappen Gepflogenheit, sich nur einmal in der Woche, und zwar am Samstag, zu waschen. Die Grubenhüterin — Wasch- und Aufräumefrau — stellte einen großen Kessel heißen Wassers zur Verfügung, aus welchem jedermann mit einem Schöpfer beteilt wurde, öfteres Waschen war verpönt, galt vielmehr nur als herrische Mode und in den Augen der Bergleute als ungesund sowie als Vergeudung von Brennmaterial. Mit Holz musste infolge der hohen Gebirgslage des Betriebes selbstverständlich gespart werden. Es bedurfte daher aller Energie Pencos, das alltägliche Waschen bei der Belegschaft durchzubringen, es musste sogar mit Geldstrafen erzwungen werden.

Während der Schicht war der Ausschank geistiger Getränke verboten. Da ein junger Steiger in der ersten Zeit das Wasser am Schneeberg nicht vertrug, da es aus der Lagerstätte bleihaltig war, neigte er stark zu Koliken. Ein altes Hausmittel der Knappen — allerdings eine Rosskur — war es nun, ein Glas Schnaps mit mehr oder weniger Pfeffer zu mischen und den Inhalt des Glases in einem Zuge zu leeren. Mit der Zeit gewöhnte sich der Körper an den Bleigehalt, aber auch an den Branntwein; er schmeckte gut, besonders ohne Pfeffer. Der neue Steiger brachte es schon auf ein ziemliches Quantum. Auf dem Schneeberg wurde unter dem Titel „Schnaps ist gut wie eine Medizin" damals viel Branntwein vertilgt. — Einmal überraschte nun Verwalter Penco den jungen Steiger beim Schnapstrinken. „Luder verfluchtes — sauft Du Schnaps — sauft Du. Ist es ein Skandal — ist es. Du solltest mit gutem Beispiel vorangehn; kommst Du am abend in die Kanzlei, kommst Du." Dort erhielt nun der Steiger neuerdings Schnaps, aber einen trockenen, und er wurde nachdrücklich auf die Gefahren des Schnapsgenusses aufmerksam gemacht. Er glaubte daran zu seinem eigenen Vorteil und ist heute Verwalter Penco noch dankbar dafür.

Am Schneeberg war die Polizeistunde im kleinen Knappengasthaus unter der Woche auf neun Uhr abends festgesetzt, sonntags auf zehn Uhr. Nur in Ausnahmefällen gab es ein oder zwei Stunden Verlängerung, wenn man darum bittlich wurde. Der erwähnte junge Steiger kam von der Assentierung aus Klausen und war zu den Kaiser Jägern behalten worden. Am Abend setzte sich die Kameradschaft zusammen, um das Ereignis bei einem Liter Rotwein zu feiern. Die Polizeistunde naht heran und es wurde durch das Los bestimmt, wer nun um Verlängerung zu bitten hatte. Dazu wurde unser Steiger zusammen mit einem Zweiten auserkoren. Sie gingen in das Beamtenhaus, wo der Bergverwalter mit den anderen Herren zusammen saß und tarockierte. „Und was willst Du Lausbub?" sprach Verwalter Penco den Steiger an. „Es ist einmal so, dass zwei um Polizeistunde bitten gehn" entgegnete er, „dass ich deswegen ein Lausbub sein muss, sehe ich nicht ein." Penco lachte und erwiderte:

„Habe ich ganz vergessen, dass Du nun Kaiser Jäger bist, natürlich bist Du kein Lausbub mehr." Die beiden kehrten mit zwei Stunden Polizeiverlängerung ins Gasthaus zurück. Es dauerte aber nicht lange und es kam die „Moidl" mit einem halben Liter Wein und einem Braten und sagte zu dem jungen Steiger, das schicke der Verwalter Penco für ihn, er solle es sich schmecken lassen. Beleidigt wie der Junge nun war, lehnte er ab, stieß aber bei den Kameraden auf bedeutenden Widerspruch, so dass er schließlich annahm. Inzwischen war es zwölf Uhr — Mitternacht — geworden, alle mussten das Gasthaus verlassen. Der Steiger ging zu Verwalter Penco und bedankte sich. „Sind Sie nun ein Mann geworden — sind Sie — bleiben Sie nun bei uns — bleiben Sie —." Von da ab sprach ihn Penco per Sie an. Er war mannbar geworden. Die Sitzung dauerte bis vier Uhr früh, und da der folgende Tag ein Sonntag war, hatten alle Zeit genug zum Ausschlafen.

Mitgeteilt von Hans Wallnöfer, Bergrevierinspektor in Hall/Tirol.

Quelle: Paul Ippen, Denk- und Merkwürdiges aus dem österreichischen Bergbau, Wien 1965, S. 22 -24.
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