2. [Nachträgliches über den Dodamon]

Ich habe die Meinungen des Volkes (in Röhrawiesen und Umgebung) über den Dodamon noch genauer erforscht und folgendes erfahren.

Der Dodamon erscheint zu gewissen Zeiten und immer nur auf einen Augenblick. Häufig wird er auf einem goldenen Rösschen gesehen, oft aber auch mit einer Sense oder auch mit einer langen weißen Schlafmütze. Viele behaupten, daß derjenige, welcher den Dodamon mit dem goldenen Rösschen gesehen habe, noch recht glücklich sein könne, daß aber der, welcher ihn mit der Sense oder mit der Schlafmütze gesehen habe, drei Jahre nicht überleben werde.

Ein Bauer erzählte mir, er habe, während er einmal zu Nachtzeit auf seinem Felde ackerte, plötzlich von weitem einen Schein wargenommen („i låß mas net nehma, s' wår wir a Korfunkelstoån“). Der Bauer blickte auf, um zu sehen, was es denn eigentlich wäre, da sah er den Dodamon, wie er mit seinem goldenen Rösschen in der Luft verschwand. Derselbe Bauer behauptete auch, daß er nur deshalb so gesund sei, weil er den Dodamon mit dem goldenen Rösschen gesehen habe.

Sehr häufig wird der Dodamon in dem sogenannten Pestgårt'l gesehen. Dieses Pestgårt'l ist ein kleiner eingezäunter Wiesenplatz, in welchem ein Kreuz errichtet ist,1) Wer den Dodamon aber in dem Pestgårtl sieht, soll ebenfalls unglücklich sein. So erzählt man sich unter andern folgendes:

Es war im Winter und mehrere Röhrawiesener hatten sich in der warmen Stube versammelt, um sich hier gemeinschaftlich die Zeit zu verkürzen. Man war mit spinnen beschäftigt; dabei erzählten sich die Leute allerlei Geschichten und bald kam die Rede auch auf den Dodamon. Die meisten sagten, sie wollten nichts mit ihm zu thun haben. Es war aber eine Dirne, welche behauptete, sie fürchte sich durchaus nicht vor ihm. Sie wurde nun aufgefordert, zum Beweise ihrer Furchtlosigkeit, aus dem außer dem Dorfe sich befindlichen Keller Wein zu holen. Sie machte sich auf den Weg und muste beim Pestgårt'l vorüber. Als sie hier anlangte, sah sie ein kleines, bucklichtes Männchen mit einer langen weißen Schlafmütze auf dem Kopfe. Da sie glaubte, man wolle sie nur schrecken, gieng sie ganz muthvoll auf das Männchen los und wollte ihm die Schlafmütze vom Kopfe ziehen. Auf einmal aber drehte sich das Männchen um, und als die Dirne das Gesicht mit der langen Nase und den grünen Augen sah, erschrack sie so heftig, daß sie den Krug fallen ließ und eilends davon lief. Als sie sich nochmals umsah, war das Männchen verschwunden. - Die Dirne soll bald darauf von einem Baume herabgefallen und gestorben sein. — Viele behaupten auch, daß, wenn ein Kranker im sterben liege, stets der Dodamon mit der Sense komme und sich zu dem Bette des Kranken stelle.

Zu den „Vierzeilen“, die man in Röhrawiesen singt, gehört auch folgendes Liedchen:

I bi vo obn owa,
von Owalandl, (vom Oberland)
mei Muida båcht Kråpf’n,
wi's Dodamandl. (nämlich so ungestalt.)

1) Hier sollen die an der Pest gestorbenen begraben sein. An dieses Pestgårtl knüpfen sich eine Menge von Sagen.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 280ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
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