9. [ Der h. Abend]

In Mank (Nieder-Österreich) besteht die Sitte, daß am heiligen Abend nach dem Aveläuten und nach den üblichen Gebeten die ganze Bauernfamilie, welche den Tag über gefastet hat, sich zu Tische setzt. Alles bleibt still und ruhig, bis der Hausvater abermals das Tischgebet gesprochen und dem Gesinde das Zeichen zum spielen gegeben hat. Kaum hat man einige Stunden gespielt, so wird heftig an der Hausglocke gezogen. Wer ist's? - Und bald lautet die Antwort „die Christschau“. Es treten zwei Kirchenbuben mit rothen, langen Kleidern herein; ihnen folgt ein mächtiger Kasten, von einem alten Kirchendiener getragen. Schnell ist ein kleines Gerüst aufgerichtet, der Kasten daraufgestellt und alle Vorbereitungen werden getroffen, „den Christ“ zu zeigen. Unterdessen haben sich alle Hausbewohner um den Kasten versammelt und betrachten ihn mit neugierigen Blicken. Endlich wird das Brett weggeschoben und es zeigt sich eine liebliche Gegend mit Hirten, Jägern, den drei Königen, und im Hintergrund der Stall.

Die zwei Bauernbuben, welche mit Lichtern vor dem Kasten stehen, fangen nun mit heller Stimme zu singen an: .

"Da Christ da is kuma,
hot Sinden uns g'numa,
hot von Daif'l befraid,
dö Kinda und Lait!"

Hat der alte Kirchendiener alles, was das Bild zeigt, erklärt, so beginnen die Kirchenbuben abermals, wie folgt:

"Dö Hird'n af'n Fäld,
dö hona bloßd in d' Wäld
unsarn Christ.
Dö drai Kini hon brocht.
Gold, Mirra und Wairauch in Brocht
unsarn Christ.
Get's bringt's erm a wås
a Gäld oda so wås
unsarn Christ."

Darauf legt jedes anwesende ein Geldstück in eine Büchse.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 289f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Mai 2005.
© www.SAGEN.at