Beleg 40 -43 [In der Silvesternacht]

40. In der Silvesternacht zwischen 12 - 1 Uhr sucht ein Bursche das vergrabene Blei, welches er in der Thomasnacht unter den Zaun gelegt hat, bei welchem die „Dirne“ täglich einigemal vorübergeht. Hierbei ist einige Vorsicht nöthig. Behutsam muß er die Erde von dem Blei wegscharren und ein Kreuz über der Grube schlagen. Das herausgenommene Blei wird von der Erde befreit und man kann auf Treue oder Untreue schließen, je nachdem das Blei rein oder fleckig ist. (Mank in Nied. Österr.)

41. In ein großes Gefäß wird Wasser gethan, und von einer brennenden Unschlittkerze läßt man 9 Tropfen Unschlitt in das Wasser fallen. Durch die sonderbare Zusammenstellung und Vereinigung der Tropfen kann man zukünftiges voraussagen. (Mank in Nied. Österr.)

42. Man legt sich in der Silvesternacht ohne alle Vorbereitungen auf einen Kreuzweg so nieder, daß das Gesicht gegen den Boden gekehrt ist, und man nichts sehen kann. Alsdann hört man Tritte neben sich, Dieses gehen rührt von jenen her, welche das folgende Jahr sterben. Aus der Art und Weise des gehens kann man leicht jene Personen bestimmen, welche sterben. (Daselbst.)

43. Stellt man sich um 12 Uhr Nachts unter einen Balken oder unter ein Gerüst, welches gegen Sonnenaufgang gerichtet ist, so sieht man alles was im folgenden Jahre geschehen wird. Was einer gesehen hat, darf er aber niemand sagen, denn sonst wird diesem plauderhaften der Hals umgedreht. Von diesem „horchen“ wurde mir folgende Geschichte erzählt:

„Ein Müllerbursche muste in der Silvesternacht in der Mühle bleiben, da gerade in jener Nacht eine genügende Menge Wassers zum malen vorhanden war. Schweigend saß er da und sah durch das kleine Mühlfenster in die geheimnisvolle Nacht hinaus. Draußen war's kalt und frostig, daher machte sich der Bursche ein Feuer in dem großen Kachelofen, theils um sich zu wärmen, theils um seine Milch abzusieden. Da wurde er plötzlich in seiner angenehmen Beschäftigung unterbrochen, es blieb das Mühlrad stehen und die Mühle hörte auf zu klappern. Er machte sich auf, stieg mit einer Laterne auf den Boden und wollte durch das Dachfenster die sogenannte Schütze zustellen. Aber gerade als er die Schütze aufziehen wollte, schlug es zwölf Uhr. Er hielt etwas inne, zog die Kappe vom Kopfe und murmelte einen Spruch. Auf einmal hörte er läuten und es war ihm, als sehe er eine Leiche. Durch die Dorfgasse bewegte sich eine ungeheure Menge von Menschen, an deren Spitze die Schulkinder und der Pfarrer giengen. Deutlich konnte er seine Vettern, Nachbarn und Bekannte unterscheiden. Er selbst aber sah sich dicht hinterm Sarge gehen und bitterlich weinen. Bald verschwand der Zug in dem Kirchhofe. Abermals drängten sich durch die Dorfgasse Leute, an deren Spitze die zwei bekannten Dorfsiedler giengen. Und wieder sah er sich mitten in der Menge mit seiner Braut auf einem Pferde sitzen und mit einem Kranze auf dem Kopfe. Wie ein Nebelbild verschwand diese Erscheinung, und als er jetzt so trübselig hinausblickte über die Dorfhäuser, da stieg aus einem der Häuser ein Flämmchen, welches sich über alle verbreitete und bald stund das ganze Dorf in Flammen. — Solches konnte der Bursche aber nicht länger mehr ansehen; er fiel bewustlos um, und es schlug zu seinem Glücke ein Uhr. Dasselbe Jahr starb seine Mutter, bald darauf heiratete er und noch in eben dem Jahre war fast das ganze Dorf abgebrannt.“ (Mank in Nied. Österr.)

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 341ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Juni 2005.