Beleg 51 -65 [Besenstehen, Brunnensehen und noch mehr]

51. Ein anderes Mittel, die Zukunft zu erforschen, ist auch das Besenstehen. Man muß sich zwischen der eilften und zwölften Stunde Nachts auf einem Besen dort hin stellen, wo die Gründe dreier verschiedener Herrschaften zusammen stoßen. Einstens stund auch einer auf dem Besen. Da sah er drei Äcker, vor sich einen Hochzeitszug, und als Bräutigam sah er sich selbst. Auf einmal hörte er von der Straße her bitterlich weinen; er blickte hin und sah einen Leichenzug, dem eine große Menge Menschen nachfolgte; es kam ihm dann vor, als würde mitten im Dorfe, wohin der Leichenzug sich bewegte, gerastet und es war, als fiengen die Kinder an zu weinen Darauf bemerkte er zehn Äcker, vor sich einen Mann und ein Weib mit „Reisepinkeln“ und der Mann sah ihm selbst wieder ganz gleich. Es gieng alles wirklich in Erfüllung. Nach drei Monaten heiratete er, dann starb sein Vater, welchen viele Menschen zum Grabe begleiteten, und an eben dem Ort, wo es ihm vorkam, als stünde man mit der Bahre still, wurde auch gerastet. Er verkaufte dann sein Haus und zog mit seinem Weibe nach zehn Monaten in ein anderes Dorf. (Daselbst.)

52. Ein anderes Mittel ist das Brunnensehen. Eine Weibsperson schaute einst in den Brunnen. Da hörte sie Musik, weinen, lachen, und noch anderes muß sie gesehen und gehört haben, weil sie ganz blaß und krank in die Stube zurückkam.

53. Wieder andere, welche wissen wollen, wohin sie heiraten werden, schütteln während des Aveläutens, besser aber zwischen eilf und zwölf in den Rauhnächten einen Baum. Von woher sie nun einen Hund bellen hören, dorthin werden sie heiraten. (Nr. 30.)

Andere, die wissen wollen, welche Haare ihr künftiger Ehemann haben werde, gehen rückwärts zur Thür, machen sie auf, und gelangen ohne sich umzusehen hinaus. Dann werden sie ein Büschel Haare in die Hand bekommen, genau solche, wie derjenige hat, den sie heiraten werden.

Um zu erfahren, wer im Laufe des Jahres sterben werde, legt man sich während der zwölften Stunde zwischen die Gräber; dann werden alle vorbeigehen, die im künftigen Jahre sterben werden. Einer, der das auch wissen wollte, legte sich in der zwölften Stunde zwischen die Gräber. Da sah er nun viele Freunde, Bekannte, Verwandte vorbeigehen, und darunter sich selbst. Er erschrack darüber so sehr, daß er bald starb. (Aus Ostermitting an der Salza.)

54. In einer Rauhnacht unternahm ein Mann im Manhartgebirge (Nied. Österr.) einen „Losegang“, um sein Schicksal zu erforschen. Was hiebei geschehen ist, erfuhr niemand von ihm, nur bemerkte man, daß er immer kränkelte. Als er aber endlich sehr krank wurde und sich dem - Tode nahe fühlte, rief er mehrere Nachbarn zu sich, und eröffnete ihnen folgendes: „In der letzten Thomasnacht unternahm ich einen Losegang. Ich gieng außerhalb des Ortes, um mich nach dem nächsten Kreuzwege zu begeben. Auf dem Wege dahin hörte ich plötzlich Pferdegetrappe, als kam ein ganzer Zug dahergeritten. Wie erstaunte ich aber, als ich ein einziges schneeweißes Pferd vor mir erblickte, welches das Getrappe verursachte. Ich blickte weder seitwärts noch rückwärts. Obgleich mir das Pferd von allen Seiten so nahe kam, daß ich befürchten muste von demselben zertreten zu werden, so ließ ich mich doch nicht irre machen, und gieng meines Weges. Nach einigen Minuten gelangte ich von Angstschweiß triefend am Kreuzwege an. Jedoch das Pferd wollte mir den Zutritt nicht gestatten. Es stellte sich mir in den Weg; ich schritt vorwärts und kam in den Mittelpunkt der Kreuzung zweier Wege. Ich zeichnete mit geweihter Kreide einen Kreis auf den Boden, und in demselben Augenblicke verschwand das Pferd mit noch größerem Lärm als es gekommen war. 1) Nun begann ich zu losen, indem ich einige Betformeln hersagte. Nach einiger Zeit sah ich einen Leichenzug langsam einherschreiten, begleitet von Trauertönen, die sich allmählich in lustige Weisen umwandelten. Diese wurden von muntern Burschen gesungen, welche zu einer vor meinen Augen abgehaltenen Hochzeit giengen. Dabei wurde geschmaust und getrunken, getanzt und gespielt. Aber auch dieß begann allmählich zu verschwinden, und der lustige Reigen ward zum sausenden Wirbelwind; und die Tänzer lösten sich zu einem Morgennebel auf, daß mir ein kalter Schauer durch die Glieder fuhr.“ Bald darauf starb der Mann und seine Frau heiratete einen jungen Burschen aus dem Dorfe.

1) Vergleichen wir S. 21, 23, 335 (Nr. 16.), 345, 347 und 348 (Nr. 55), so kann über den mythischen Gehalt dieser Erscheinung kein Zweifel sein.

55. In der Umgegend von Heidenreichstein in Nied. Osterreich ist das „Liesengehn“ gebräuchlich. Einmal gieng ein altes Weib mit einem Mädchen liesen. Da kam ein feuriger Wagen gefahren, und als das Mädchen, wider die Ermahnung der alten, um Hilfe rief, wurde sie von dem feurigen Wagen aufgenommen und stieg wie eine Wolke gen Himmel.

56. Am heil. Abend ist in Warnsdorf (Böhmen) das Bleigießen und das Lichtelschwemmen Sitte.

Um das Bleigießen vorzunehmen, setzen sich sämmtliche Glieder der Familie an einen Tisch. Vor demjenigen der Blei gießen will, steht auf dem Tische ein eigenes Geräth, Ganasse genannt, welches zum festhalten von Kienspänen dient. Das Blei wird in einem alten, eisernen Löffel über der Flamme gut getrockneter Kienspäne erhitzt. Sobald es im Flusse ist, wird die früher ziemlich lebhafte Gesellschaft mäuschenstill. Ist endlich das Metall vollständig geschmolzen, so wird es in eine mit kaltem Wasser gefüllte Schüssel gegossen. Das Blei sinkt mit zischen im Wasser unter und bildet verschiedene Gestalten. Aus diesen suchen dann die übrigen Familienglieder den künftigen Beruf dessen zu bestimmen, der das Blei gegossen hat. Oft nimmt dasselbe baumartige Formen an; dieß läßt den Beruf eines Forstmannes, eines Gärtners, eines Landmannes vermuthen. Zuweilen erscheint das gegossene Blei in der Gestalt von Nadeln oder Nägelchen; dieß deutet auf das Handwerk eines Schneiders oder Schuhmachers hin. Darauf kommt ein anderer an die Reihe und so geht es fort.

57. Zum Lichtlein schwemmen bedient man sich gehälfteter Nußschalen. In diesen Nußschalen werden verschieden gefärbte, jedoch gleich lange Wachskerzchen befestigt. Jedes Glied der Familie macht sich nun durch eigene Zeichen eine Nußschale kenntlich. Alle werden dann behutsam in eine mit Wasser gefüllte Schüssel gesetzt Hierauf werden die Kerzchen angezündet, und einer der anwesenden bringt mit der Hand das in der Schüssel enthaltene Wasser in Bewegung. Wessen Kerzchen zuerst erlischt, der stirbt unter den versammelten Familiengliedern zuerst. (Daselbst.)

58. Bei jungen Mädchen ist am heiligen Abende auch das Strohkranzwerfen beliebt. Das Mädchen stellt sich nämlich, einen Strohkranz in der Hand, so, daß sie den Rücken einem Baume zukehrt; dann wirst sie rücklings den Strohkranz über sich hinaus. Bleibt derselbe schon beim ersten Wurfe auf dem Baume hängen, so wird sie sich bald nach dem Beginne des kommenden Jahres verheiraten; bleibt der Strohkranz beim zweiten Wurfe auf dem Baume, so verheiratet sich das Mädchen ungefähr in der Mitte des kommenden Jahres, und bleibt der Strohkranz erst nach dem dritten Wurfe hängen, so wird ihre Verheiratung erst am Ende des nächsten Jahres stattfinden. Sind jedoch alle drei Würfe mißlungen, so wird das Mädchen während der Dauer des ganzen folgenden Jahres nicht Braut. (Daselbst)

59. Bei jungen Burschen ist das Schuh werfen im Brauche. Sie stellen sich, einen Schuh in der Hand, so in die Stube, daß sie den Rücken der Thür zu kehren und werfen dann den Schuh über den Kopf hinaus. Kehrt der niedergefallene Schuh die Spitze der Thür zu, so wird der, welcher geworfen, im Lause des kommenden Jahres das Vaterhaus verlassen; im entgegengesetzten Falle aber wird er noch ein Jahr zu Hause bleiben.

So verfließt in allgemeiner Heiterkeit der heil. Abend: dann naht die Christbescherung und auf diese folgt ein fröhliches Mahl. Bei diesem sollen jedoch nicht mehr als zwölf Personen zu Tische sitzen; denn so viele ihrer über zwölf sind, eben so viele werden im Laufe des kommenden Jahres sterben. (Daselbst.)

60. Am heil. Abend ist in Komotau u. a. O. das Schüchelwerfen in Gebrauch. Personen beiderlei Geschlechts setzen sich auf den Fußboden, mit dem Rücken gegen die Stubenthür, und machen den Schuh oder Pantoffel am rechten Fuße locker. Bevor geworfen wird, spricht man:

Schüchel aus, Schüchel ein,
wo werd' ich heute übers Jahr sein?

Und nun wird Schuh oder Pantoffel über Kopf gegen die Thür geschleudert. Nach dem Wurfe beobachtet man, wohin die Spitze des Schuhes oder Pantoffels gerichtet ist: ob mit der Spitze gegen die Thür oder hereinwärts. Dann wird noch zweimal geworfen. Wenn dann die Spitze jener Fußbekleidung zweimal gegen die Thür gerichtet war, so bedeutet das, daß die Person künftigen Jahres um diese Zeit nicht mehr in dem Hause sein werde.

60. In Nied, Österr. besteht dieselbe Sitte. Man wirft rückwärts einen Schuh aus der Thüre. Fällt der vordere Theil auswärts (vom Hause weggekehrt), so wird sich der werfende in dem Jahre entfernen. Fällt der vordere Theil des Schuhes einwärts, so bleibt der Werfer im Hause.

62. In Mank in Nied. Österr. ist folgende Sitte:

Ist das Blei auf die bekannte Weise gegossen und aus der Form desselben so viel als man konnte vorhergesagt worden, so wird es bis Mitternacht aufbewart. Um 12 Uhr machen sich dann die Burschen auf und schleichen zu ihren Mädchen. Beim Hause bezeichnen sie den Boden mit einem Kreuz, auf welches sie sich stellen, mit dem Rücken an die Thür gelehnt, und werfen nun drei Mal über den Kopf mit dem gegossenen Blei gegen das Hausthor. Die so erzeugten Töne zeigen die Treue oder Untreue ihrer Verlobten an, je nachdem der Ton hoch oder tief ist. Der Bursche tritt nun rückwärts von dem Kreuze weg, eilt zu einem Zaune, an welchem die Verlobte des Tages mehrere Mal vorübergeht, und gräbt das Blei ein. Hier bleibt es liegen bis zum Silvesterabend.

Von diesem Bleiwerfen in der Thomasnacht erzählt man folgendes:

Ein Bauernbursche gieng in der Thomasnacht Bleiwerfen. Nachdem er das Kreuz gemacht und sich darauf gestellt hatte, kam ein Mann zu ihm, der sehr stark durch die Nase sprach und ihn fragte, was er da mache. Der Bursche erkannte sogleich, daß dieses der Teufel war, schlug ein Kreuz und ließ sich nicht irre machen. Als er aber das Blei warf, da fieng es der Teufel auf, und warf es unter schallendem Gelächter durch das Fenster in die Stube. Der Bursche lief was er konnte nach Hause und betete die ganze Nacht, damit ihm der Böse fernerhin nichts mehr anhaben könne. Des andern Tages brachte man ihm aber die Nachricht, daß die Dirne, auf die er sein Augenmerk gerichtet hatte, Nachts einen Schlag bekommen habe und sogleich gestorben sei. Den Grund fand er darin, daß er nicht gerade, sondern gebückt gestanden sei, was man nie thun soll, denn es heißt:

Wer das Blei wirft übern Kopf,
an des Dirnleins Herze klopft,
wer's wirft und sich duckt,
der Teufel 's Dirndel gleich erdruckt.

63. Auch das Weingießen wird in der Thomasnacht von neugierigen angewandt, um die Liebste zu sehen. Es wird ein Schaff Wasser mitten in den Keller oder in die Mitte eines Zimmers gestellt und der Wein von einer bestimmten Höhe herabgegossen. Während dem muß der Bursche in das Wasser unverwandt hineinsehen um seine Zukunft zu schauen. Im Volke heißt es:

Wasser und Wein
zeigt's Dirnlein fein.
(Daselbst.)

64. Außer dem ist noch das Schuhstellen im Gebrauche.

Dieses thun gewöhnlich Mägde um in die Zukunft zu blicken.

In die Mitte des Hofraumes wird ein Besen entweder in die Erde oder in den Schnee gesteckt und rings herum im Kreis werden die Schuhe gestellt. Des anderen Morgens eilt nun jedes hinaus um seine Schuhe zu holen; er findet sie aber nicht so, wie er sie hingestellt hat, denn der eine steht rechts gegen die Kirche, der andere links gegen das Hausthor und so jeder anders. Stehen zum Beispiel beide Schuhe gegen die Kirche, folglich auch gegen den Friedhof, so zeigt dieses einen nahen Todesfall an.

Dieses Schuhstellen wird in der Thomasnacht nicht so allgemein veranstaltet, als es am Silvesterabend der Fall ist. (Mank in Nied. Österr.)

65. In der Thomasnacht und am Silvesterabend findet man auch in Nied. Österr. überall das Bleigießen. Man schmelzt das Blei, welches man von Fenstern, Ringen etc. gesammelt hat, in einem Löffel oder einer Pfanne. Sobald es geschmolzen ist, gießt man es in das bereit stehende kalte Wasser, in welchem es zischend auseinander fährt, wodurch verschiedenartige Gestalten gebildet werden. Häufig wird dann eine Kartenschlagerin befragt, die dem fragenden für Geld sein zukünftiges Schicksal vorhersagt. An einigen Orten nimmt man das Blei aus dem Wasser und sucht an demselben irgend eine Form zu entdecken, aus der die Zukunft des neugierigen gedeutet wird.

Statt Blei wird auch Wachs genommen. Hat dieses (oder das Blei) z. B. die Form eines Wagens, so wird der fragende bald eine Reise machen. Große Bestürzung erregt es, wenn die Form sich derjenigen eines Sarges nähert.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 345ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Juni 2005.