1. [Der Berg Blanik]
Der Berg Blanik ist nordöstlich von Markte Launiowitz (etwa 4 Meilen
von Tabor). Er hat (nach Sommer) 1845 Fuß Meereshöhe, Westlich
in einiger Entfernung vom Blanik fließt das Flüßchen
Blanitz.
Von diesem Berge gehen mancherlei Sagen. Bekannt ist die über Zdenko
von Zasmuk, der die von den Taboriten erschlagenen Helden im Blanik besucht
hat. Dort verweilen sie, bis den Böhmen eine große Gefahr drohet;
am Johannistage öffnet sich der Berg, die Ritter reiten heraus, tränken
ihre Rosse und üben sich in den Waffen.
Auch ein Hirt kam einst in den Berg und sah geharnischte Männer im
Kreise auf steinernen Bänken schlafen. Sie erhoben sich und fragten,
ob es Zeit zum Aufbruche sei. Der Anführer ("Meinhart")
aber sprach: Noch ist es nicht an der Zeit, daß wir Böhmens
Feinde vertilgen. Darauf versanken alle wieder in den Schlaf; der Hirt
suchte den Ausgang und erfuhr, daß er ein ganzes Jahr lang fort
gewesen sei.
Oft hört man Lärm und Waffengeklirr im Blanik; dann meint das
Volk, die eingeschlossenen Ritter rüsten sich zum Kampfe. Aus dem
Berge fließt eine Quelle, deren Farbe und Geruch dem der Mistjauche
ähnlich sein soll. Das Volk glaubt,sie rühre von den Pferden
her, die im Blanik gesattelt stehen, der Reihe nach an einer Felsenwand.
Am Boden oder auf steinernen Bänken schlafen die Ritter und neben
jedem liegen seine Waffen. Einige sagen, die Ritter schlafen sitzend,
den Kopf auf das Schwert gestützt, während andere erzählen,
daß die Ritter schon auf den Pferden sitzen und schlafen, wobei
sie den Kopf auf dem Halse des Pferdes ruhen lassen. In der Mitte der
Halle ist ein erhöhter Sitz, wo der Anführer ("Meinhart")
schläft.
Auch ein Nagelschmied ist einst in den Berg gegangen und hat einem Ritter
einen Sack voll Nägel ausgetauscht gegen Kehricht. Außer dem
Berge fand er statt des Kehrichts das reinste Gold. Dasselbe begegnete
einem Knechte, den der Häuptling ersuchte, er möge den Ort reinigen
wo die Pferde stehen. Sein Lohn war der Mist, der sich aber in lauteres
Gold verwandelte.
In der Nähe des Blanik wohnte ein Schmied, welcher ganz nahe an dem
Berge seine Wiese hatte. Früh Morgens gieng er eines Tages mit noch
einem Taglöhner, um das Heu in Haufen zu werfen. Als die Magd mit
dem Frühstück kam, nahm der Schmied seinen Theil und setzte
sich am Fuße des Berges nieder, um es zu verzehren. Kaum hatte er
den Löffel bei Seite gelegt, so trat ein Mann zu ihm, der in einen
Mantel eingehüllt war, und sprach: Folge mir Freund. Der Schmied
that es, und beide giengen nun in den Berg. Als sie da ankamen, wandte
sich der Ritter zum Schmied und sprach: Ich habe dich hierher geführt,
damit du unsere Pferde neu beschlagest.1)
Der Schmied antwortete: Das ist unmöglich, da ich keine Werkzeuge
bei mir habe. Deshalb sei unbesorgt, erwiederte der Ritter, und er brachte
dem Schmiede die Werkzeuge und sagte: Thue nun was ich dir befohlen habe,
gib aber Acht, daß du keinen dieser Ritter anstoßest. Der
Schmied machte sich an die Arbeit, und als er das letzte Pferd beschlug,
wandte er sich ungeschickt um und berührte den am Rosse sitzenden
Ritter, welcher alsogleich erwachte und, rief: "Ist's schon Zeit?"
- Der wachende Ritter drohte dem Schmied und sprach zu jenem: Noch nicht,
schlafe nur weiter, - Für das beschlagen der Pferde erhielt er die
alten Hufeisen , die sich in Gold verwandelten. Als der Schmied auf die
Wiese kam und anstatt einer Person zweie Gras mähen sah, verwunderte
er sich. Die Arbeiter erzählten dem Schmiede, er sei ein ganzes Jahr
abwesend gewesen und man habe ihn schon für verloren gehalten.
Die Zeit, in welcher die Blaniker Ritter den bedrängten Brüdern
zu Hilfe eilen werden, hat das Volk so bezeichnet. Von allen Seiten werden
die Feinde in's Land einbrechen, und plündernd und mordend durch
dasselbe ziehen; die Hauptstadt wird der Erde gleichgemacht, so daß
man schwer den Ort finden wird, an dem sie gestanden ist, und der Fuhrmann,
welcher an dieser Stelle vorbeifährt, wird mit der Peitsche knallen
und klagend rufen: Hier stand einst die schöne große Stadt
Prag.
Durch das Schwert der Feinde wird die Zahl der Bewohner täglich schwinden;
wenn dann aber der Böhmen nur mehr so viele sind, daß sie alle
auf einem großen Fuhrmannswagen Platz finden, wenn der trockenliegende
Teich beim Blanikberge mit Blut gefüllt sein wird und die dürren
Bäume am Ufer der Blanitz Blüten treiben: dann wird sich der
Blanik öffnen und die heilige Schaar mit dem Herzoge Wenzel, welcher
auf einem Schimmel reitend die Reichsfahne in der Hand hält, wird
hervor kommen. Diese Ritter stürzen sich dann unter die Feinde und
jagen dieselben über die Grenze und kehren sodann nach vollbrachtem
Kampfe zum ewigen Frieden ein. Die noch lebenden Böhmen werden sich
sammeln und ein neues kräftiges Volk gründen, das die besten
Zeiten erleben soll.
Während in Südböhmen die schlafenden Ritter in den Blanik
verlegt werden, vermuthet man im mittleren Theil des Landes die Ritter
indem Berge Rip (Georgsberg), welcher im Prager Kreise südlich von
der Stadt Rakonitz liegt.
In allen Sagen vom Blanik tritt eine Person immer besonders hervor. Nach
der Aussage eines Hirtenknaben, der auch im Berge war, seien in einem
hellerleuchteten Sale alle Ritter in schwarzer Rüstung gewesen, nur
einer von ihnen habe eine goldstralende Rüstung gehabt. Dieser habe
die Frage, ob es noch nicht Zeit sei, verneint, und zwar zu wiederholten
Malen. Viele halten jenen Ritter für den König Wenzel, von dem
man übrigens auch sagt, er sei in eine Eiche entrückt.
1) Vergl. S. 46.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 109f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.