26. [Das Wunschhorn und die zwölf]

Bei Pürglitz am Flusse Beraun steht ein altes Schloß Namens Teyrov, in welchem sich der Sage nach folgende Begebenheit zugetragen hat:

Es kamen einst 11 Soldaten mit ihrem Anführer auf der Flucht durch die Pürglitzer Waldungen zu diesem Schlosse, und da sie dasselbe öde und verlassen fanden, beschlossen sie die Nacht darin zuzubringen. Als sie das erste Zimmer betraten, fanden sie in demselben nichts als einen Tisch um welchem zwölf Stühle standen, auf die sie sich niederließen, weil sie von der weiten Reise sehr müde waren. Kaum hatten sich die Soldaten zurecht gesetzt, als deren Anführer ein kleines Horn1) erblickte, welches auf dem Tische lag. Er nahm dasselbe und blies hinein. Doch kaum waren die seltsamen Töne des Hornes verklungen, als sich eine Frauenstimme vernehmen ließ, welche sagte: Was wünschen meine Herren? Die Soldaten erschracken über diesen Ruf, von dem sie nicht wusten, woher er kam; da sie aber großen Hunger verspürten, so baten sie um ein Nachtessen worauf die Stimme antwortete: Gleich meine Herren. Alsogleich bedeckte sich der Tisch mit köstlichen Speisen und Getränken. Als die Kriegsmänner sich gelabt hatten, wünschten sie zu spielen. Der Anführer durch den eben genossenen Wein kühn gemacht, blies sogleich in das Horn, worauf dieselbe Stimme fragte: Was wünschen sie noch? Er bat um Spielkarten, und sogleich lagen 12 Haustein Silbergeld und Karten auf dem Tische. Als die Soldaten eine Stunde gespielt hatten, wurden sie schläfrig, der Anführer blies wieder ins Horn und bat dann um ein Nachtlager. Die geheimnisvolle Stimme sagte ihnen, sie sollten in den anstoßenden Sal sich begeben, dort würden sie zwölf Betten finden. Sie thaten wie ihnen geheißen und fanden wirklich die zwölf Betten. Die eilf Soldaten legten sich sogleich nieder und schliefen auch bald ein. Nur der Anführer, dem die Erlebnisse des Tages sonderbar vorkamen, traute nicht recht und blieb wachend auf seinem Bette sitzen. Als er so über die Abenteuer im Schlosse nachdachte, hörte er plötzlich um Mitternacht ein Geräusch, er vernahm Tritte, die sich dem Sale immer zu nähern schienen und bald sah er auch vor seinem Bette eine weiße Frau stehen, welche zu ihm sprach: Fürchte dich nicht, denn es geschieht dir hier kein Leid. Hierauf sagte sie ihm, daß sie ein verwunschenes Burgfräulein sei und sich bis zu ihrer Erlösung im Brunnen, des Schloßgartens als Fisch aufhalten müsse. Ein gleiches Schicksal hätten auch eilf ihrer Gefährtinnen; nur um Mitternacht könnten sie ihre menschliche Gestalt annehmen. Dann fuhr sie fort: du und deine eilf Gefährten können uns erlösen, wenn ihr ein Jahr lang ohne Unterbrechung im Schlosse bleiben wollt, ihr dürft aber nicht einen Schritt aus dem Schlosse wagen, sonst wird alles vergebens sein. Wenn ihr etwas benöthiget, so braucht ihr nur in das Horn zu blasen und euer Begehren zu sagen, es wird alsbald euer Wunsch befriediget sein. Das Burgfrauen theilte dem erstaunten Anführer noch mit, daß, wenn er und seine Kameraden so glücklich wären, sie zu erlösen, so würde dann jeder ein Fräulein zur Gemahlin bekommen und zwar jenes, welches durch ihn erlöst wurde. Er aber würde sie selbst zur Gemahlin erhalten und noch dazu das Schloß mit seinen Reichtümern. Als die Soldaten diese Nachricht erfuhren, willigten sie sogleich ein und der Anführer machte dieß in der folgenden Nacht dem Burgfräulein zu ihrer großen Freude kund. Dreiviertel Jahre lebten die Soldaten im Schlosse zufrieden und vergnügt. Die Jungfrauen hatten auch schon ihre menschliche Gestalt vom Kopfe bis zu den Knien wieder erhalten, als plötzlich ein Soldat eine große Sehnsucht fühlte in's Freie zu gehn. Er theilte dieß seinen Gefährten mit und bat sie mit ihm zu gehn. Ungeachtet der Vorstellungen und Bitten des Anführers willigten sie ein, er aber blieb im Schlosse zurück und wartete auf das Burgfräulein um ihr zu melden was vorgegangen sei. Erst in der Nacht kam sie zu seinem Bette und war, statt weiß, ganz schwarz gekleidet. Sie jammerte entsetzlich und erzählte ihm, daß sie und ihre Gefährtinnen nun wieder so lange verzaubert bleiben müsten, bis wieder zwölf andere Männer in dieses verrufene Schloß einkehrten, um das Erlösungswerk zu vollbringen. Da aber noch nicht einmal das Holz zu deren Wiegen gewachsen sei, so müßen sie daher noch lange ihrer Erlösung harren. Das Burgfräulein theilte ihm noch mit, daß sich die Soldaten, welche zurückgekommen waren, am nächsten Morgen so schnell als möglich aus dem Schlosse entfernen sollten, denn blieben sie nur noch eine Nacht im Schlosse, so würde jeder von dem Burgfräulein ermordet werden, zu deren Erlösung er bestimmt war. Ihn selbst aber könne sie nicht ermorden, weil er sich nicht wie seine Gefährten wortbrüchig benommen habe und er solle dafür auch reichlich belohnt werden. Wenn er nämlich mit den Soldaten aus dem Schlosse gegangen sei, sollte er sich bald von ihnen trennen und in das Schloß zurückkehren, wo sie ihm einen Schlüssel überreichen werde. Mit demselben sei eine Thüre zu eröffnen, durch die er in einen Raum gelange, wo er sich von den Schätzen so viel nehmen könne als er wolle. Nachher müsse er den goldenen Schlüssel wegwerfen. Als sie ihm dieß mitgetheilt hatte, verschwand sie. Kaum tagte es, so verließ er mit seinen Gefährten das Schloß. Unweit desselben jedoch trennte er sich unter einem Verwande von denselben und befolgte den Rath des Burgfräuleins. Er gieng in's Schloß zurück, fand am Rande des Brunnens den goldenen Schlüssel, mit dem er die bezeichnete Thüre öffnete und gelangte in den Besitz der versprochenen Schätze. Er ließ sich nun im nächsten Orte nieder und führte ein glückliches Leben. Nach Verlauf von einigen Jahren, amen wieder die eilf Soldaten, die indes erfahren hatten, wohin er sich gewendet und was mit ihm geschehen sei, in großer Armut zu ihrem ehemaligen Anführer und baten ihn, er möchte sie in das Schloß begleiten, in welchem sie die Erlösung der Jungfrauen gewis vollbringen würden. Er gieng mit ihnen, aber wie erstaunten sie, als sie in das Zimmer kamen, in dem sie vor vielen Jahren gewohnt hatten, und neben dem Tische nur einen Stuhl statt zwölf fanden. Der Anführer stieß nun in das Horn, welches noch am alten Platze lag; als bald ließ sich die bekannte Frauenstimme vernehmen: Was beliebt meinem Herrn? Er bat um ein Nachtessen für sich und seine Leute. Ihr Staunen und ihre Furcht stieg aber, als sie statt 12 Gedecken nur eines, und zwar vor dem Anführer, auf dem Tische erblickten. Und so gieng es auch später, als der Anführer um Karten bat, und er bald darauf die Karten mit einem Haustein Geld erhielt. Die Soldaten machten sich bald nichts mehr daraus und baten dann den Führer, er möchte um ein Nachtlager ansuchen. Als sie dann in den Saal traten, in welchem früher die zwölf Betten gestanden, fanden sie nur ein Bett und zwar jenes, in welchem der Anführer das erste Mal geschlafen hatte. Dieser legte sich in sein Bett und jeder der übrigen auf den Platz, wo früher sein Bett gestanden. Um Mitternacht kam das Burgfräulein, schwarz gekleidet, und machte dem Anführer kund, daß die eilf Soldaten diese Nacht sterben müsten, ihm aber werde kein Leid geschehen, er könne sich noch überdieß am nächsten Morgen, auf dieselbe Weise wie das erste Mal, einen Schatz heben. Der Anführer bat zwar um das Leben seiner Gefährten, jedoch vergebens; als er des Morgens erwachte, fand er sie alle tot. Jedem war der Kopf abgeschlagen. Voll Schrecken und Furcht eilte er fort und langte bald mit einem Schatze, den er mitzunehmen nicht vergaß, zu Hause an. Die zwölf Jungfrauen aber warten noch jetzt auf ihre Erlösung.2)

1) Über Odins Giallarhorn s, Wolf, Beiträge l,15,
2) Die Zwölfzahl erscheint nicht bloß bei den Schicksalschwestern (Nomen), sondern auch bei den Asen.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 146ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.