12. [Die Teufelsbraut]

In dem mähr. Dorf Lideczko (Lidetschko) bei Klobauk war vor vielen Jahren ein Wirtshaus. Der Wirt suchte die Gäste dadurch zu locken, daß er jeden Sonn- und Feiertag einen Zimbelspieler hielt, wobei dann die lustige Dorfjugend sich ergötzte und oft bis Mitternacht tanzte. Der Wirt hatte eine Dienstmagd, die man im Dorfe unter dem Namen Rosalia kannte, und die durch ihre ungewöhnliche Schönheit allgemein bekannt war. Wenn sie Abends ihre Arbeit beendet hatte, gieng sie gleich in die Schenkstube, um sich, wie sie sagte, satt zu tanzen. Sie war gegen arme sehr wohlthätig; es kam täglich ein alter Mann, dem Rosalia immer etwas von ihrem Essen gab, der auch die Stelle der Eltern vertrat, die ihr schon lange gestorben waren. Widerfuhr ihr etwas unangenehmes, so war ihr erstes, daß sie es dem Alten klagte. Ein mal hatten sich alle Jünglinge verabredet mit ihr nicht zu tanzen. Alle Mädchen wurden zum tanzen gerufen, nur sie nicht, und so muste sie bald das Tanzzimmer verlassen. Auch das klagte sie dem Alten, und fügte hinzu, sie wolle selbst mit dem Teufel tanzen, wenn er käme. Es vergiengen kaum einige Augenblicke, als ein junger Mann, als Revierjäger gekleidet, in's Tanzzimmer eintrat, und Rosalia, als die schönste, zum Tanz aufforderte. Es wurde nun getanzt, bis der Morgen graute, und der junge Mann ließ Gold und Silber fliegen. Beim Abschiede sagte er zu Rosalien: Morgen Abend werde ich dich besuchen. Am Morgen kam der Alte traurig zu ihr und als ihn Rosalia um die Ursache fragte, meinte er: Dieser junge Mann gefällt mir nicht, denn das ist kein gutes Zeichen, wenn man in einer Nacht so viel Geld verthut. Rosalia, sprach der Alte, gib wohl acht, der ist ein großer Herr und er könnte dir gefährlich sein! Seid nicht böse, entgegnete Rosalia, er kommt heut Abends, und ich werde euch überall mitnehmen, wohin ich auch mit ihm gehen sollte. Der Abend kam heran, und als alle schliefen, zog Rosalia ihr Sonntagskleid an, und erwartete jenen Herrn, der ohne alles Geräusch kam, sie zu einem gedeckten Wagen führte, und in Eile das Wirtshaus verließ. Nun wurde an einem andern Orte getanzt, und erst am Morgen kehrte Rosalia heim. So gieng das eine Zeit lang fort, bis der Wirt sie aus dem Dienste jagen wollte. Den Alten beschwichtigte sie, indem sie ihm mittheilte, daß jener Herr sie heiraten und alle ihre Wünsche dann erfüllen wolle; so lange sie aber ledig sei, dürfe er ihr bloß drei Wünsche erfüllen. Hast du schon gewählt? fragte besorgt der Alte. Ja, antwortete Rosalia. Das erste was ich verlangte, war ein neues Kleid, und ein Pelz zur Trauung; zweitens eine Tanzunterhaltung für die Dorfburschen, damit sie sehen, welch schöne Zimmer wir bewohnen werden; das dritte habe ich noch nicht gewählt; dazu gebt ihr mir euren Rath. Der Alte sah zu Boden und dann sprach er: Ich will dir rathen, doch du must meinen Rath auch befolgen. Du bist in einer Schlinge, dieser Junge kommt mir verdächtig vor; sei daher vorsichtig, ich will dir behilflich sein. Des andern Tages bekam Rosalia das Kleid und den Pelz, und am nächsten Tage sollte die Tanzunterhaltung veranstaltet werden. Die Dorfjugend war beisammen, alles tanzte und besonders zeichnete sich Rosalia mit ihrem Verehrer aus. Unterdessen hatte sich auch jener Alte in's Tanzzimmer geschlichen um alles betrachten zu können. Es wurden Getränke in goldenen Bechern und Speisen aller Art aufgetischt, unter andern, auch Krapfen.

Das alles gieng aus dem Sacke des jungen Mannes. Die Mitternachtsstunde war vorüber und Rosalia entfernte sich in Begleitung des jungen Mannes und des Alten, während die lebenslustigen Gäste unersättlich bis zum Morgen tanzten, wo sie dann berauscht einschliefen. Rosalia legte sich zu Bette, konnte jedoch nicht schlafen, denn ihre Gedanken waren mit anderen Dingen beschäftiget. Als jene lustige Gesellschaft erwachte, fanden sie sich nicht in dem schönen Tanzsale, sondern auf morastigem Boden; die Kelche, woraus sie getrunken hatten, waren die Hufe krepierter Pferde, und die Krapfen waren zu Pferdemist verwandelt worden. Als sie dieses sahen, waren sie erbost und beschlossen sich an Rosalien zu rächen. Sie war aber unterdessen sammt dem Alten verschwunden. Dieser hatte sich endlich überzeugt, daß sie in den Händen des Teufels war; er rettete sie, indem er sie verborgen hielt und ihr befahl vom Teufel als dritten Punkt folgendes zu verlangen: Wenn du willst, daß ich deine Gemahlin werde, so muß morgen bis zur Mittagsstunde der Bach vor dem Dorfe gegen den Berg fließen. Der Teufel verlangte aber auch eine Gegenleistung; diese bestand darin, daß Rosalia zu derselben Stunde die Herzen von sieben Brüdern bringen müsse, sonst wollte der Teufel das Recht haben sie mit in die Hölle zu nehmen. Du hast mich her berufen, sagte er, und deshalb habe ich Ansprüche an dich. Dann eilte er fort. Rosalia und der Alte berieten sich, wo sie etwa die sieben Herzen hernehmen könnten, Des Abends begaben sich beide vor das Dorf, um zu sehen, wie weit die Arbeit des Teufels vorgeschritten sei. Da erblickten sie eine unzähliche Menge kleiner grau gekleideter Männer, die alle mährisch redeten. Als die kleinen Leute den Alten und Rosalia sahen, zeigten sie mit den Fingern hin und sagten: „Seht die Braut unseres Herrn.“ Der Alte gieng näher und vernahm wie mehrere stritten. Der eine sagte: Ich bin doch neugierig, ob wir die Arbeit früher beenden werden, als die Braut ihre Aufgabe gelöst hat. Der andere meinte: Wir werden wohl früher fertig sein, ehe das arme Mädchen die Herzen von sieben Brüdern bekommt. Wenn sie aber vernünftig ist, wird sie sich schon zu helfen wissen. Die Wirtin, wo sie im Dienst war, hat sieben Hahnen und fünf Hennen; die Braut könnte die sieben Hahnen abstechen, und ihre Herzen bringen, und so würde unser blutdürstiger Herr die Wette verlieren. Als dieß der Alte vernommen hatte, eilte er schnell zur Rosalien und sagte: Du bist gerettet, komm ich will dir rathen, Rosalia eilte sogleich zur Wirtin, um die Hahnen zu kaufen. Sie gab vor, sie müsse ein Abendessen veranstalten, bei dem sie die Hahnen auftischen wolle. Sie wurden also geschlachtet, die Herzen auf einen Teller gelegt, und Rosalia brachte sie am folgenden Tage um 12 Uhr auf den Berg, Hier gieng bereits das Wasser gegen Berg, nur fehlten noch zwei Steine. Da schlug die 12. Stunde am Kirchturme des Dorfes. Rosalia legte dem Teufel die sieben Herzen vor, und dieser brüllte derartig, daß die zusammengestellten Steine der Mauer nach rechts und links auseinander flogen, und der Bach sein früheres Bett einnahm. Diese fehlenden Steine hatten jene von seinen Arbeitern zu besorgen, die hinken, so daß sie nicht schnell genug waren, um sie zur bestimmten Stunde herbeizuschaffen. Zur Strafe müssen sie durch eine Reihe von Jahren täglich um 11 Uhr Nachts am Berge erscheinen, und alle Steine und Erhabenheiten entfernen. Deshalb sagen auch die Bewohner: das ist der Berg, der von Teufeln gepflegt wird, und sie erlauben darum ihren Kindern nicht, denselben zu besuchen, Rosalia muste aus Lideczko flüchten, weil sie für eine Hechse erklärt ward. Sie lebte lange in der Höhle eines nahen Waldes, theilte heilsame Kräuter aus und wurde vom Volke „Rosalia, die steinerne Braut“ genannt.1)

1) Einige Anklänge an die deutsche Faustsage. Obiges ist von einem mährischen Bettler erzählt.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 375ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, Juli 2005.