1. [Der Donaufürst]

Bei Freienstein (unweit Ips [Yps]) und an allen Orten, wo die Donau schäumend über die Felsen schlägt, hört man zur Nachtzeit, wohl manchmal auch an nebelreichen Tagen, wehmüthige Klagetöne. Das kommt von den Wassergeistern, welche das Unglück ihres Fürsten beweinen. Von diesem geht nämlich folgende Sage:

Einst lebte ein alter Fischer mit seiner Tochter friedlich am Donaustrande, ohne mit jemand zu verkehren. Der Fischer gieng des Morgens seiner Arbeit nach und kehrte erst spät in der Nacht zurück. Da geschah es, daß er eines Tages bei seiner Rückkehr eine große Menge Leute vor seiner Hütte und am Strande fand. Neugierig fragte er was hier geschehen sei, und er erfuhr mit Schrecken, daß der Donaufürst seine Tochter in die Tiefe geschleppt habe. Der Fischer, betrübt über seinen Verlust, verließ seit diesem Vorfalle nicht mehr seine Hütte auf längere Zeit, sondern blieb immer in der Umgebung derselben.

Einst in einer mondhellen, stürmischen Nacht schwamm das Schifflein des Fischers noch mitten auf der Donau und darin stund der arme Fischer und blickte auf die wellige Oberfläche. In solchen Nächten zeigt sich der Donaufürst denjenigen Menschen, welche nichts geweihtes am Leibe tragen. Auch unserm Fischer zeigte er sich. Der Donaufürst, der mitten in der Donau aufgetaucht war, hatte blaue bis in's Wasser reichende Kopf- und Barthaare; er war mit purpurrothem Mantel angethan1) und auf dem Kopfe trug er seine dreieckige muschliche [sic] Krone. Er fragte den Fischer was er wünsche. Dieß soll er gewöhnlich thun, er fragt jeden, dem er begegnet um seinen Wunsch und stürzt ihn dann in die Tiefe hinab, wo er alles gewünschte finden werde. Der Fischer sprach keine Bannungsformel, sondern blieb stumm und blickte wehmütig auf den Fürsten. Als dieser sich ihm näherte, nahm der Fischer sein Ruder in die Hand und schlug mit so großer Gewalt auf das Haupt des Fürsten, daß vier große Steine aus seiner Krone weit fort in die Donau und an das Ufer flogen. Auf dem Ruder war ein Rosenkranz befestiget, welcher auch jetzt nach dem Schlage ihn schützte, denn sonst wäre er unfehlbar verloren gewesen. Seit dieser Begebenheit muß der Fürst die Stücke seiner Krone auf dem Lande suchen, und erst dann, wenn er sie gefunden hat, wird er als Fürst wieder in die Tiefe zurückkehren. Nach der Meinung einiger sucht er noch immer, andere behaupten aber, er sei schon längst wieder in seinen Palast zurückgekehrt. Weil der Donaufürst vier Steine verloren hat, so darf jeder Mensch welcher ertrinkt vier Tage in seinem Palaste weilen. Sobald nun ein Mensch im Wasser untergegangen ist, und in den Palast des Wasserfürsten eintritt, so bindet die Fischerstochter, welche in demselben noch wohnt und von Nichsen [Nixen] bedient wird, einen Blumenstrauß,2) welcher an die Oberfläche des Wassers geschickt wird. Sehen die Leute einen solchen Strauß, so wissen sie, daß jemand ertrunken ist.

Ein Mann von Gottsdorf erzählte folgendes. Einst kam der Donaufürst in das Wirtshaus [Wirtshaus] von Gottsdorf und ließ dem Wirte allen Wein im Keller ausfließen, weil er das Christusbild von der Kellerthür [Kellertür] nicht entfernen wollte. Der Wein stieg so hoch, daß das Bild herabgeworfen wurde und fortschwamm.

Einem Kinde soll er einst eine Korallenkette um den Hals gehängt haben, so daß das Kind davon erwürgt und später bei dem Donaustrande gefunden wurde. Manchmal aber belohnt er die Menschen, insbesondere die Fischer.

Man erzählt auch, daß er einem Fischer kostbare Steine in sein Netz gelegt habe, während dieser zum Mittagmahl gegangen war. Als der Fischer das seinem Freunde erzählte, so wollte es auch dieser versuchen. Er legte sein Netz in den Fischerkahn, gieng in seine Hütte und blickte durch eine Ritze auf den Kahn. Der Fürst stieg aus dem Wasser herauf und legte eine Menge kostbarer Edelsteine in das Netz. Voll Freude eilte der Eigentümer zum Donaustrande hinab und wollte seinen Schatz in Besitz nehmen, doch der Kahn sank unter und nur mit Mühe gelang es ihm sein Leben zu retten.(Aus Ips [Ypss an der Donau])

1) Anderwärts in Österreich gilt der Wassermann als riesengroß, ganz grün gekleidet, bis an den Gürtel im Wasser stehend, mit finstern Gesichtszügen. In St. Egid (am Neuwalde, Nied. Österr.) denkt man sich den Wassermann als ein Ungethüm [Ungetüm], halb Fisch, halb Mensch, mit Binsenkleidern angethan, und statt der Haare hat er Schilfsblätter.
2) Erinnert das nicht an die Schattenbeherrscherin Persephone? - Auch die nordische Hel, die in Niflheim weilt, hält die Schatten der Gestorbenen unerbittlich fest. Vergl. Panzer II, 300 fg. Gr. M. 288. 464.


Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 161ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.