23. [Dem Wassermann die Hand abgehauen]

In Wessely an der March ist der Wassermann in verschiedenen Gestalten gesehn worden, als Knabe, Jägerbursch, Krämer etc. Als Kennzeichen desselben führen jedoch alle an, daß ihm aus seinem linken Rockschößchen stets Wasser tröpfle.

Einst lebte in Wessely ein reicher Fleischhauer, zu welchem täglich ein schön gekleideter Herr in die Fleischbank kam, und immer eine beträchtliche Menge Fleisch kaufte, und dann wieder fortgieng, ohne daß ihm jemand folgen konnte. Da dieses dem Fleischhauer auffiel, so erzählte er es in Gesellschaften. Hier fragte man ihn, ob er an dem Herrn ein besonderes Kennzeichen bemerkt habe oder nicht, worauf er antwortete: O ja, es tröpfelt ihm immer Wasser aus seinem linken Rockschößel. Darauf gab man dem Fleischhauer den Rath, dem Herrn, welcher kein anderer als ein Wassermann sei, die Hand abzuhauen. Dieß that auch der Fleischer, doch kaum hatte er dem Wassermanne die Hand weggehauen, so hob sie dieser auf, steckte sie zu sich, drohte ihm mit der andern Hand und verschwand. Einige Wochen später muste der Fleischer über einen seichten Bach; doch kaum war er auf dem Stege, als auch schon der Wassermann erschien, und ihn in das Wasser zog.

Dasselbe erzählt man im Dorfe Dwory (in Westgalizien) und anderwärts. Siehe Grimm Sag. Nr. 53.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 194f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.