4. [Der Wassermann im Ziegelschlage]

In Wilhelmsdorf unweit des Meidlinger Bahnhofes (bei Wien) befindet sich ein längst verlassener Ziegelschlag, der oft mit Wasser gefüllt und an manchen Stellen sehr tief ist.

Nach dem Glauben der Umwohner wird das Wasser, welches bei der grösten Hitze nie austrocknet, von einem alten Wassergeiste beherrscht. Damit die Leute nicht die Einrichtung seiner Wohnung erfahren, zieht er alle jene, welche sich in seine Nähe wagen, zu sich hinab und hält sie gefangen. Viele Knaben, welche sich dort badeten, musten ertrinken, indem er die Wege, die man sieht wenn das Wasser klar ist, mit Schlamm so überdeckt hat, daß sich die badenden nicht mehr helfen können.

Viele Leute wollen ihn auch beim hellen Vollmonde an der Wasserfläche beobachtet haben, wie er mit einem ungeheuer großen Kamme sein gelbes langes Haar kämmt, und wie er mit einem bis an die Fersen reichenden Rock an der angränzenden Wiese spazieren geht.

Den ganz in der Nähe wohnenden Leuten fügt er keinen Schaden zu, nur verkündet er ihnen mit durchdringendem winseln den Tod eines ihrer Nachbarn, oder er zeigt ihnen durch einen schauerlichen Wind an, daß jemand in dem Wasser ertrunken ist.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 169
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.