19. [Banadietrich]
Dietrich von Bern, Berndietrich (Grimm Myth. 888) gehört nach wendischen
Sagen in's Gefolge des wilden Jägers. In dem benachbarten nördlichen
Böhmen (Warnsdorf) heißt er Banadietrich und man erzählt
von ihm folgendes:
Es lebte einst ein Ritter, Namens Banadietrich. Der war so fromm und tugendhaft,
daß ihm ein Engel die Speise brachte und der Wind (oder auch die
Stralen der Sonne) ihm den Mantel trug. Der Teufel versuchte all seine
Macht, um den frommen vom Wege des guten abzubringen; vergebens, es wollte
ihm nicht gelingen. Endlich nahm er zur List seine Zuflucht. Es war eben
ein großer Feiertag und Banadietrich betete in der Kirche. Da nahm
der böse die Gestalt eines alten, häßlichen Mannes an
und setzte sich, eine Bockshaut in den Krallen, vor die Kirchthür;
denn die Heiligkeit des Ortes hielt ihn ab, das innere der Kirche zu betreten.
Während der Wandlung nun, da alles mäuschenstill war, biß
der Teufel in seine Bockshaut, zerrte daran, ließ sie plötzlich
fahren und schlug mit dem Kopfe gewaltig gegen die Kirchthür. Dadurch
entstand ein großer Lärm. Banadietrich wandte sich voll Entrüstung
um und wollte sehen, wer die heilige Handlung auf solche Art zu stören
wage. Da erblickte er den alten, welcher gerade wieder die Bockhaut aus
dem Munde riß und den Kopf mit aller Kraft gegen die Thür schleuderte.
Bei diesem Anblicke verlor Banadietrich all seine Ernsthaftigkeit; er
konnte sich nicht enthalten, laut auf zu lachen. Sein Gelächter gab
Ärgernis, und die ganze versammelte Gemeinde wurde in ihrer Andacht
gestört.
Nun hatte der Teufel gewonnen, denn der fromme Ritter war unandächtig
gewesen und hatte durch sein böses Beispiel auch andere verführt.
Bald offenbarte es sich, daß er dadurch das Mißfallen des
Herrn auf sich geladen. Als er nämlich aus der Kirche trat, ließ
ihm der Wind den Mantel fallen. Und zu Hause angekommen wartete Banadietrich
vergeblich auf den Engel, der ihm ehemals das Essen gebracht hatte.
Nun war der böse thätig, das Herz des gefallenen mehr und mehr
von Gott abzuwenden. Bald bemächtigte sich ein tiefer, finsterer
Grimm des Ritters. Dieser konnte nicht begreifen, warum Gott eines so
kleinen Fehlers wegen ihn so hart bestrafe und ihm so plötzlich seine
große Gnade entziehe. Seine Erbitterung gieng so weit, daß
er beschloß, die gröste aller Sünden zu begehen.
Er wüste aber nicht, welches die gröste Sünde sei. Deshalb
gieng er zu einem Einsiedler und fragte diesen darum. Er erhielt folgenden
Bescheid:
Wer sich Brot in die Schuhe legt, diese dann anzieht und so die edle Gottesgabe
absichtlich mit Füßen tritt, der verübt die gröste
Sünde. Dieß that nun Banadietrich und von nun an war er wie
umgewandelt. Er betete nicht mehr, besuchte keine Kirche, theilte kein
Almosen mehr aus, kurz, er hörte ganz auf, ein tugendhafter Mensch
zu sein. Statt der heiligen Messe beizuwohnen trieb er sich in Wäldern
und Einöden umher, und in kurzer Zeit hing er dem Jagdvergnügen
mit solcher Leidenschaft an, daß er oft tagelang außerhalb
seiner Burg verweilte.
An einem Sonntage, da eben fernes Dorfgeläute zur Kirche rief, flog
er in einer wüsten Gegend, wie ein Sturmwind, auf seinem feurigen
Rosse einher. Da rief eine gewaltige Stimme vom Himmel herab: "Banadietrich,
Banadietrich! Wie lange willst du noch jagen?" - Der Ritter erzitterte
und rief: "So lange als Gott will!" - Es war sein Glück,
daß er also gesprochen, denn hätte er frech geantwortet, so
wäre er unverweilt der Hölle zugeritten. Jetzt aber erwiderte
die Stimme von oben: "Nun so sollst du jagen bis zum jüngsten
Tage!"
Und noch heute jagt der wilde Jäger. Wer zur Neumondzeit des Nachts
den Wald durchstreift, hört oft plötzlich in seiner Nähe
Hundegebell und den Hufschlag eines Rosses; er vernimmt den Ton des Hiefthornes
und den Halloruf des Jägers; aber das Auge vermag nichts in der undurchdringlichen
Finsternis zu erspähen, der Wanderer werfe sich zu Boden und drücke
das Gesicht in's Gras, auf daß die wilde Jagd über ihn dahinbrause.
Quelle: Mythen und Bräuche
des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 41ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.