29. [Kartenspiel mit Geistern]
In Mühldorf, einem Dorfe an der böhmisch-mährischen Gränze,
ist ein altes verfallenes Schloß, von dem man sich folgendes erzählt.
Vor vielen Jahren bewohnte es ein alter ungerechter Gutsherr. Nach seinem
Tode sagte man, der Schloßherr gehe er mit bösen Geistern darin
um.
Einst kam der Wächter eines benachbarten Dorfes nach Mühldorf,
und da er sehr ermüdet war, so begehrte er eine Schlafstelle. Man
gab ihm eine, und da er sich nach verschiedenem erkundigte, so erzählte
man ihm auch, daß der Schloßherr mit anderen bösen Geistern
in seinem Schlosse umgehe. Dummes Zeug, sagte er, tragt mir Wein und Brot
und ein Spiel Karten dazu hinüber, und ich werde mich prächtig
drüben unterhalten. Das geschah. Er setzte sich in eines der Zimmer,
aß und trank und spielte mit sich Karten. Kaum hatte es 12
Uhr geschlagen, so hörte er an der Thüre [Türe]
klopfen. Ah, sagte er, ich glaube gar ich bekomme einen Gesellschafter.
Herein! Die Thüre blieb zu. Es klopfte zum zweiten male, er sagte
abermals herein, die Thür blieb jedoch zu. Da es nun abermals klopfte,
so gieng er zur Thüre, öffnete dieselbe und es traten mehrere
weiß gekleidete Männer herein. Diese lud er zum Spiele ein,
und nach langer Weigerung ließen sie sich herbei. Sie zogen, ihre
langen Nägel von den Fingern und sagten: Wir zahlen mit Nägeln
und du gibst uns für zehn Nägel einen Kreuzer. Sonderbares Spiel,
sagte der Wächter, was hab ich denn von euern Nägeln? - Auch
recht, sagte er endlich, wenigstens spielen wir doch um etwas. Nun setzten
sich die zehn Geister zum Tische und spielten mit dem Wächter.
Das erste Spiel gewann der Wächter, und erhielt zwanzig Nägel,
die er in seine Tasche steckte, während er die verlierenden auslachte.
Das zweite Spiel gewann der Wächter ebenfalls und er erhielt sechzig
Nägel. Bravo, sagte er, das geht gut. Es kam das dritte Spiel, welches
der Wächter ebenfalls gewann und wofür er zwanzig Nägel
erhielt. Nun konnten die Geister nicht mehr spielen, weil sie keine Nägel
mehr hatten. Das geht nicht, sagte der Wächter, ihr habt noch Nägel
an den Füßen, auch die müssen herunter. Der Wächter
gewann abermals alle Nägel auf einmal, und lachte sie aus. Nun erhoben
sich die Geister, und begehrten einstimmig ihre Nägel zurück.
Wartet ein wenig, sagte der Wächter, ihr hättet mir auch nicht
das Geld zurückgegeben, wenn ich verspielt hätte. Gewonnen ist
gewonnen.
Die Geister deuteten dem Wächter, er solle zur Thür hinaus.
Er jedoch sagte: Wozu denn, gehet voran, ich will sehen wo ihr hingeht
und will euch folgen. Die Geister kamen in einen Gang, von diesem zu einer
Treppe, die nach abwärts gieng, und standen endlich vor einer Thür.
Diese wurde von einem, der einen Bund Schlüssel anhängen hatte,
aufgesperrt, und sie traten ein. Der Wächter folgte ihnen nach.
In der Mitte des Kellers stand ein Amboß, und neben demselben lehnte
ein großer, schwerer Hammer. Nun brachte derjenige, der den Schlüsselbund
anhängen hatte, eine lange eiserne Stange, legte sie auf den Amboß,
und wies den Wächter an, die Stange zu schmieden. Der Wächter
sagte: Schmiede nur du fleißig, und ich werde indessen schlafen
gehn. Sie baten ihn abermals, er solle nur drei Schläge auf den Amboß
führen, er aber sagte: auf den Amboß nicht, aber auf euch.
Da er durchaus nicht schmieden wollte, so ergriff endlich der, welcher
den Schlüsselbund hatte, den Hammer. Beim ersten Schlage fielen die
neun umstehenden Geister zu Boden und waren tot, beim zweiten warf der
schlagende den Schlüsselbund dem Wächter zu, und nach dem dritten
entfiel ihm der Hammer, und ersank tot zu Boden, und der Wächter,
der die Geister erlöset hatte, saß plötzlich in seinem
Zimmer, bei dem übrig gebliebenen Wein und Brot.
Als es Morgen geworden war, begab sich der Wächter zum Schloßthor
hinaus und übergab den Leuten den Schlüsselbund, und erzählte
ihnen, was er die Nacht hindurch erlebt hatte.
Man belohnte ihn und machte ihn zum Ortswächter in Mühldorf.
Die aufgefundenen Leichen ließ man beerdigen, und erkannte in ihnen
den Schloßherrn und seine Freunde, die ebenfalls geizig gewesen
waren.1)
1) Das Kartenspiel ist Spiel des Teufels (Mercur-Wuotans
Gr. M. 136). Vergl. Kuhn, nordd. Sag. Nr. 63. 152.
Quelle: Mythen und Bräuche
des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 56ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.