32. [Der heilige Martin]

Mit den letzten Stücken sind wir über den Mythenkreis Wuotans schon hinausgegangen. Noch einige kleinere Überlieferungen haben wir nachzutragen.

"Der heilige Martin kommt auf dem weißen Schimmel geritten", sagen die Leute (in Nied. Österreich), weil es um Martini gewöhnlich zu schneien anfängt.

In Freudenthal (österr. Schlesien) kommt am Vorabende Martini (10. November) der h. Martin auf einem weißen Schimmel geritten und bringt den Kindern (auch wohl erwachsenen) allerlei Geschenke, unter denen ein Martinshörndl (Kipfl) nicht fehlen darf.

Dagegen im Islthale [Iseltal], Bez. Lienz (Tirol), drohet man den ungehorsamen Kindern mit dem "Wauwe", der sie in ein finsteres Loch in den Wald mitnehmen werde; den braven aber werde "Nikolo aus dem Paradeis" schöne Sachen bringen. Dieser Nikolo bringt dann am 5. Dezember eine entsetzliche Gestalt mit, welcher der leibhaftige "Tunda" ist. Dieser böse [sic] wird dort auch "Klaubauf" genannt, im Oberpusterthale "Tåter," im Oberinnthale "Putz".

Zur Weihnachtzeit reitet der Sonnwendfeuermann von einem Markstein der Freiheit des Dorfes (Göpfritz in der Wild, Nied. Österr.) bis zum andern. Der "Sunawendfeuermon" reitet auf dem "golda Rössl", und die Kinder glauben, daß er seine Gaben auf's Fenstergesimse lege. Auch erwachsenen, die an das golda Rössl 1) glauben, bringt er "a Feirtagwond und an Zwieguld'n".

1) Vergl. oben S. 28 und 29.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 61f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.