6. [Der Nebelmantel]

Im Dorfe St. Veit (unweit Straß in Steierm.) lebte ein Schneidermeister, der gern Wein trank. Als eines Abends die Magd ihm Wein holte, und an einem Freithofe vorbei muste, sah sie auf der Mauer einen Mann sitzen in einen Mantel gehüllt und einen spitzen Hut auf dem Kopfe. Das beherzte Mädchen glaubte, es wolle sich jemand einen Scherz erlauben, entriß ihm den Mantel und nahm ihn mit. Bald darauf erschien aber die Gestalt in Nebel gehüllt vor dem Fenster und forderte drohend den Mantel. Erst in der dritten Nacht brachte die Magd in Begleitung des Pfarrers den Mantel zurück. Zur Strafe ward die Magd vom Blitze erschlagen, und an der Stelle Wächst kein Gras mehr.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 25f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.