10. [Das Bild vom Tode]
Betrachten wir schließlich die Farbe des Todtenmannes [Totenmannes]. Weiß ist alles was sich in Gebräuchen auf seine Erscheinung bezieht. Bei den slawischen Völkern ist weiß sogar die Trauerfarbe. In einem mir aus österr. Schlesien mitgetheilten [mitgeteilten] Wiegenliede erscheint der Tod weiß:
Schlouf Jengla lange,
Dar Tud setzt off der Stange;
Ar hot an weißa Kettel on,
a well das Jengla metta hon (mithaben):
Schlouf Jengla, schlouf.
Nach einer Mittheilung aus Straziowitz (bei Gaja in Mähren) sah
ein Feldhüter Nachts eine weiße, hagere und große Gestalt.
Die gieng auf das Dorf zu, und der Feldhüter sah sie in einem Hause
verschwinden. Am andern Morgen erfuhr er, daß der Herr in jenem
Hause gestorben war, und zwar zu derselben Stunde, da der Feldhüter
die Gestalt im Hause hatte einkehren sehen. Es war ihm nun klar, daß
jene weiße Gestalt der Tod selber gewesen sei.
Wollte man einem Bilde Vom Tode ein Attribut beigeben , so dürfte
wohl das Käuzchen (der Steinkauz), in Nied. Österr. auch Wichtel
genannt, als solches gelten, weil er Totesbote ist.
Somit hätten wir ein ziemlich deutliches Bild vom Tode nach deutscher
Volksanschauung. Wollte etwa ein Künstler solch ein nazionales Bild
darstellen, so brauchte er weder antike Anschauungen zu borgen, noch wäre
er genöthigt den Tod als Gerippe zu malen. Der verwesete Körper
eines Toten kann kein Bild sein zur Personifikation des abholenden oder
geleitenden Todesboten oder des Todesgottes selbst. Auch sollte teuflisches
oder höllisches das Bild nicht verunzieren, weil es der echt deutschen
Volksanschauung fern liegt. Dieser durchaus angemessen wäre eine
weiße, hagere Gestalt auf einem in schnellem Trabe begriffenen Schimmel.
Ein lichtes nicht eng anliegendes Gewand würde den kleinen Buckel
der zwergartigen Gestalt nicht unschön hervortreten lassen. Der Ausdruck
des Reiters, der eine Sense trägt, wäre zwar neckisch aber nicht
höllisch, der Ton und Charakter des ganzen zwar schreckhaft aber
mild, was zugleich übereinstimmte mit dem Geiste der christlichen
Lehre.
Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 80ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.