2. [Das Dodamanderl]

Wir haben diese Andeutungen vorausgeschickt, um auf eine Gestalt des Todes aufmerksam zu machen, die meines Wissens noch nicht bekannt ist. Wir bringen einige Lieder, in denen der Tod als bucklichtes Männlein erscheint.2)

2) Sie sind verbreitet unter dem Volke in Röhrawiesen, Fugnitz, Jedlersdorf, nördlich von Horn im V. D. M. B. Nied. Österr.

Der Tod als zusammengeschrumpfte Leiche, mit stark hervortretenden Knochen kommt erst seit dem 16. Jahrhundert vor; älter ist die Vorstellung desselben als Schnitter mit einer Sense, wie er auch im folgenden Liede erscheint. Die launige Auffassung und Personifikation des Todes hat sich aus den früheren Jahrhunderten bis auf die Gegenwart erhalten, und es kann darum nicht befremden, daß in unsern Liedern der Todtenmann etwas neckisches hat, der wie ein Kobold die Menschenkinder überall verfolgt, und daß er hier in häßlicher Gestalt erscheint mit Buckel und großer Nase, nach der mündlichen Aussage auch mit langem Barte. Jenem magern Knochenmann hat der Volkshumor einen Buckel beigelegt. Durch dieses komische auftreten ist die sonst grauenhafte Gestalt des Todes gemildert. Wie die Griechen den gefürchteten Erinyen den Namen Eumeniden, d. h. wohlwollende gaben, so hat auch unser Volk den Tod sich zutraulicher gemacht; denn es nennt ihn sogar "Gevatter Tod" (s. Grimms Märchen 1843 Nr. 44), den es "dürrbeinig" erscheinen läßt und mit "eiskalter" Hand. In Harrys S. Niedersachsens 1 Nr. 3 erscheint der Tod als langer, hagerer Mann, mit blassem eingefallenem Gesicht, einen langen grauen Rock und in der Hand ein spanisch Rohr mit einem Todtenkopfe als Knopf tragend. Bei dem bekannten Volksbrauche "das Todaustragen," wo er ein Symbol des Winters ist, wird eine Puppe1) aus Lumpen gemacht, oder ein Strohmann wird auf eine Stange gesteckt.

1) Die Begriffe Kobold, Zwerg, Däumling, Puppe und Götze gehen vielfach in einander über s. Grimm Myth. 468. Die Beziehung des Todtenreiches zu den Elben hat M. Rieger nachgewiesen in Pfeiffers Germania 3,2,172 ff.

Nach Panzer (bair. Sag. 2, 73) ist es ein Jahr eine männliche, das andere Jahr eine weibliche Figur. Diese wird dann entweder in's Wasser geworfen oder verbrannt. Daß bei dem alten Kampfe des Sommers mit dem Winter auch der Tod Gegenstand des Volksspieles war, beweiset u. a. auch das unter dem Namen Königslied aus Siebenbürgen mitgetheilte dramatische Spiel. (Aus Siebenb. Vorzeit, Hermannstadt 1857 S. 74). Ein Engel, der Tod und ein König treten als Personen auf.

Wertvoller sind unsere Lieder, von denen das erste so lautet:

1. Wir i aufi bin gånga, håb'n d'Håhna schon kroaht,2) und wir i åwi3) bin gånga, håt's Dodamanderl4) schon gmoaht.5)
2. I bin a weng g'ståndn und håb a weng g'schaut, då håt ma de's Dodamanderl mei Fuaßerl weg g'haut.
3. Geh' auf, auf's Berg'l, schau åwi in Gråb'n! Då hat de's Dodamanderl in Dodamon daschlåg'n.6)
4. Då oben am Berg'l wo 's Wasserl schön rinnt, då tånzt ja de's Dodamanderl, dass d'Haxen7) umspringt.
5. Änta's Båch, iba's Båch8) siach i wås stehn, und wir i gnau zuchischau woar's net går schen,8)
6. I siach's Dodamanderl stehn, lauf glei davon, Trau mi net umz'schaun mehr, lauf wås i kån.
7. 's Dodamanderl håt an Buckl g'håbt, 's wor net går groß, und hot a Drum9) Nås'n g'håbt, wir a kloans Foß. 10)


2) Die Hähne schon gekräht. 3) Wie ich herab. 4) Todtenmännchen 8Totenmännchen], 5) gemäht 6) Da hat das Todtenmännchen den Todtenmann erschlagen. Der Dodamon wird für den Vater des Dodamanderl gehalten. 7) Das Bein. Nach Schmeller 2,147 die Hächsen (Hacks'n), der Kniebug mit seinen Sehnen, besonders an den Hinterbeinen der vierfüßigen Thiere; das Bein überhaupt. 8) Beide Wörter bedeuten: drüben. 9) schön. 10) Drum, Trum ein großes Stück, also eine Nase von großem Umfang. Vergl. Schmeller 1,490. 10) Faß.

Nach Inhalt, Komposizion [Komposition] und Reim zu urtheilen [urteilen], ist dieß [dieses] Lied nicht bloß sehr alt, sondern auch ein echtes Volkslied. Die Singweise ist sehr einfach; jede Strofe wird mit einem Ju - he! geschlossen.

Eine Variazion singt man in Göpfritz in der Wild (Nied. Österr.); sie beginnt:

Wiar i aufi bin gånga håt's g'schneibt und g'waht,
und wiar i åbi bi gånga hå'm die Måhda scho g'maht.

Im Verlaufe wird das Lied erotisch.

Einzelnes Schnadahipferl variirt [variiert] die 4. Strofe:

Dort omat (oben) aum Bergerl wo's Wåsserl åbirinnt,
dort tåntzt da Herr Pfårra datz Kapperl umspringt.

Das freie Volkslied hat solche Wandelungen, daß oft der ursprüngliche Sinn fast verloren geht. So auch bei folgendem aus Göpfritz in Nied. Öesterreich:

Wiar i aufi bi gånga håm d'Håhna scho' kraht,
und wiar i åbi bin gånga håm d'Måhda scho' g'maht.
Hiatzt bin i a so g'ståndn und håb a so g'schaut,
do håt ma da Måhda mei Fuaßerl åghaut.
"No wårt no, du Måhda, i wia di scho' kriag'n,
i kaf ma a Häuserl und heirat' dei Diarn."

Über das krähen des Hahns wären eine Menge Zeugnisse beizubringen. Schon in der Völuspa finden wir den Hahn in den Sälen der Hel. In vielen Volkssagen wird der Teufel durch den Hahnkrat vertrieben.1)

Über das mähen des Todes berichtet Grimm (Myth. 808). Wir finden ähnliches schon bei den Griechen: bei Euripides in seiner Alcestis erscheint der Todesgott als ( ) mit einem Messer, um den sterbenden wie seinen Opfern das Haar abzuschneiden. Ebenso Persephone bei Virgil (criniem abstulerat Stygioque caput damnaverat orco). Schon in den griechischen Keren, die den Schlachtentod vergegenwärtigen, (wie die germanischen Valkyren) finden wir Anhaltspunkte: Ker (von ?e??e?? abschneiden, aufreiben) ist so zu sagen der Treff des Todes. Einen Zug, daß nämlich der Sohn den Vater erschlagen (Str. 3), wage ich nicht zu deuten; es scheint eine uralte Erinnerung zu sein.

1) S. ausführliches bei Panzer bair. Sag. 1, 310 fg.


Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 68ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.