5. [Der Totenritt]

Auch über den Todtenritt [Totenritt] können wir einige neue Überlieferungen aus dem Munde des Volkes mittheilen [mitteilen].

In ganz Deutschland ist Bürgers Lenore bekannt, weniger das Volkslied "Wilhelms Geist" (bei Herder 6, 8) und das im "Wunderhorn" (2, 19) mitgetheilte. Bürgern war ein Märchen erzählt, in welchem der Reiter ausruft:

Der Mond der scheint so helle,
die Toten reiten schnelle.

Diese Verse kehren auch in den genannten Volksliedern wieder; das Märchen oder die Sage selbst ist bis jetzt noch unbekannt, obgleich der Stoff, den auch Mickiewicz polnisch bearbeitet hat, sehr verbreitet gewesen sein muß.1)

Daß diese Volksdichtung in Österreich noch in frischen Zügen lebt, geht aus den folgenden Sagen hervor.
Vorher bemerken mir, daß die älteste Grundlage der Lenorensage schon in der Edda (Helgakwida) zu finden ist.

Der getötete Helgi erschien wieder, Sigrun blieb bei ihm im Hügel, die lebende [sic] bei dem toten [sic]. Als es Morgen ward, sagte Helgi: Nun ist es Zeit fortzureiten, in Walhall muß ich sein, ehe der Hohn Salgofnir mit seinem krähen das Siegervolk weckt,2) Helgi ritt seines Weges, und Sigrun ließ Wache halten am Hügel, ob er etwa wieder käme, Er kam aber nicht. Sigrun lebte nicht lange mehr, vor Harm und Trauer.


Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 75f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.