34. [Die schwarzen Männchen am Kammerbühl]

Bei Franzensbad erhebt sich ein Hügel, der Kammerbühl. An demselben ist eine breite Öffnung, das s. g. Zwergenloch. Seit undenklichen Zeiten sollen hier kleine schwarze1) Männchen hausen, deren erscheinen meist unglückbringend ist. Einst kam zu einem jungen Bauern in Reisig ein Männlein, kaum 1½ Schuh hoch; es trug einen schwarzen Hut mit Feder und einen Mantel. Der Fremde bat um ein Nachtlager, und das ward ihm auch gern bewilligt. Am andern Morgen fand der Bauer das Bett leer, aber eine Menge Geldes hatte der Zwerg zurückgelassen.

Bei Eger lebte ein Förster, der sehr hartherzig war. Südlich vom Kammerbühl hatte er mehrere Gründe gekauft und ließ daselbst einen Meierhof bauen. Die Zwerge zerstörten ihm aber einen Theil des Baues. Da beschloß er sie zu belauern, und er sah in einer Nacht, wie die Zwerge aus der Öffnung des Kammerbühls hervorkamen mit Hämmern und Hacken, mit Sägen und Beilen. Nachdem sie alles zerstört hatten, kehrten sie in ihre unterirdische Behausung zurück. Der Förster fühlte sich die ganze Zeit hindurch wie festgebannt und erst nach dem Abzug der Zwerge konnte er aufstehen. Nun sann er auf neue Mittel, das Völklein zu strafen. Er wüste, daß die Zwerge nur ihre Wohnungen verlassen, wenn das erste Viertel in den Vollmond übergebt. Um diese Zeit richtete er einen Balken auf und hängte an denselben eine ziemlich große Glocke. Das Volk glaubt nämlich, daß der Schall einer Glocke die Zwerge in ihre unterirdischen Wohnungen banne. Um Mitternacht fieng er an stark zu läuten, da entstand ein Getöse, blaue Flammen stiegen aus der Öffnung, und als er immer stärker läutete, knarrte das Gerüste des Baues und plötzlich war alles verschwunden. Weder von dem Baue noch von dem Förster hat man je wieder eine Spur gesehen.

1) Also eine Spur von Schwarzelben, nach Snorri identisch mit Zwergen (svartâlfar und dvergar), vergl. Gr. M. 414 und 415.

Quelle: Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken, Wien 1859. S. 212f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.