38. [Querre auf der Hochzeit]
In den Erzählungen der Bewohner von Warnsdorf und Umgegend spielen
die Querrlein eine große Rolle. Insbesondere hatten sich die Querre
auf einem Berge gegen Schönau und Zittau eingenistet, wo man noch
jetzt das Querrenloch sieht. Den Dorfbewohnern wurden sie besonders dadurch
lästig, da sie, obwohl unsichtbar, ihnen Brot und andere Speisen
aus den Häusern nahmen. Zum Glücke fand man endlich ein Mittel
gegen diese Brotdiebe. Man wuste, daß sie ein Brot, worin einige
Kümmelkörner mit eingebacken waren, nicht anrührten, denn
der Kümmel war ihnen zuwider.1)
Einst kamen die Querre scharenweise aus dem Querrloche hervor und trieben
ihre Kurzweil in den Straucheln an jenem Berge. Bei dieser Gelegenheit
hörten sie von ungefähr, daß ein Bauer aus Wettig, der
nicht weit von ihnen sein Feld bearbeitete, von seiner Frau nach Hause
gerufen wurde, um zu einer Hochzeit sich bereit zu machen. Da nahmen sich
die Querre vor, denselben zu besuchen und sich einmal einen recht guten
Tag zu machen.
Vor ihrer Abreise erinnerte einer den andern das Nebelkäppchen nicht
zu vergessen. Dieß hörte ein Wettiger, der ebenfalls auf dem
Felde arbeitete, und halb im Spaß, halb in Ernst, rief er den Querren
zu, sie möchten auch ihm eine Nebelkappe mitbringen. Die Querre brachten
ihm wirklich eine mit und erlaubten ihm, mit zu jener Hochzeit zu gehen,
jedoch bei Tische von den Speisen ja nichts zu sich zu stecken, oder sonst
von den Überbleibseln nichts mit sich zu nehmen, wenn er sich nicht
ihren Zorn zuziehen wolle.
Mittlerweile hatten sich die Querre versammelt und der Zug gieng nun in
Gesellschaft jenes Landmannes auf Wettig zu. Als sie zum Dorfe kamen,
warf auf ein gegebenes Zeichen jedes Querrlein sein Nebelkäppchen
über, desgleichen auch der Landmann that. Auf einmal waren sie nun
vor den Augen aller Sterblichen verdeckt, und unbemerkt konnten sie sichern
Einzug in das Hochzeitshaus halten. Sie nahmen, obwol als uneingeladene
Gäste, Platz und zwar so, daß sich allemal zwischen zwei Hochzeitsgäste
ein Querr setzte. Und nun gieng's an's schmausen, und auch der Landmann
that das seinige. Doch der hochzeitliche Tisch bot zu viel des Guten dar,
als daß er nicht gewünscht hätte, von der Fülle dieses
Überflusses etwas für Weib und Kind mitzunehmen. Und das that
er auch.
Doch in demselben Augenblicke war auch die ihn deckende Nebelkappe, das
Geschenk der Querre, verschwunden, und mit einem Male saß er nun
sichtbar vor den Augen der Gäste da. Diese, besonders seine Nachbarn
zur Linken und Rechten, staunten nicht wenig, so plötzlich einen
ungeladenen Gast und zwar in einem nicht hochzeitlichen Kleide zwischen
sich sitzen zu sehen. Frage folgte auf Frage, und der neue sichtbare Gast
war bestürzt und beschämt und wüste nicht, was er zuerst
antworten sollte. Endlich erzählte er haarklein den ganzen Hergang
der Sache und die Gäste waren erstaunt als sie hören musten,
daß zwischen ihnen Querrlein säßen, und manchem ward
es unheimlich.
Nun erst konnten sie es sich erklären, woher es gekommen, daß
die Speisen aus den Schüsseln so schnell verschwunden waren.
Froh durch den Gast Aufschluß darüber erhalten zu haben, behielt
man ihn gern da, und man erbat sich auch seine Gegenwart für den
andern Hochzeitstag. Diese Einladung nahm er mit Vergnügen an, und
erschien am nächsten Tage so festlich gekleidet wie die andern Gäste,
Aber auch die Querre waren sonder Zweifel am andern Tag wieder gegenwärtig,
obgleich sie niemand gebeten hatte; denn auch dießmal bemerkte man
deutlich ein abnehmen und verschwinden der Speisen aus den stets voll
aufgetragenen Schüsseln.
So trieben die Querre ihr Unwesen in dieser Gegend, bis auf den Dörfern
die Glocken eingeführt wurden.
Die, welche auf oder in dem Berge hausten, mieteten aus dem nahen Dorfe
Dittersbach einen Bauern mit ein Paar Wagen und ließen sich fortführen
in die Lausitz. Den Bauern, der diese Fuhr übernahm, belohnten sie
sehr reichlich, so daß er dadurch zu einem reichen Manne wurde,
und alle seine Nachkommen sich des Glückes noch lange erfreuen konnten.
Bei ihrem Abschiede sagten sie: Nur dann würden sie wieder kommen,
wenn die Glocken wieder abgeschafft wären und
"wann Sachsenland
wieder käm an Böhmerland";
dann meinten sie, würden auch bessere Zeiten sein.
1) Dieß [Dies] stimmt mit norddeut. Sagen,
s. Kuhn Nr. 189. 248. 2.
Quelle:
Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Theodor Vernaleken,
Wien 1859. S. 216ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Claudia Hackl, März 2005.