Andreas Baumkirchner

Im Jahre 1446 schenkte Herzog Friedrich III. dem steirischen Ritter Andreas Baumkirchner die Burg Schlaining, die dieser weiter ausbauen ließ. Nach einigen Jahren schwur Baumkirchner dem ungarischen König Ladislaus V. die Treue, hielt später eine Zeitlang wieder zu Friedrich III. und wurde schließlich Bannerherr des Matthias Corvinus. Um sich dieses wankelmütigen Untertans zu entledigen, lockte ihn Kaiser Friedrich III. im Jahre 1471 nach Graz, indem er ihm einen Geleitbrief zustellen ließ, worin er ihm bis zum Ertönen der Vesperglocke Schutz und freien Abzug zusicherte.

Baumkirchner erschien mit seinem Genossen Andreas Greiße-necker in Graz, obwohl er vor Verrat gewarnt worden war. Als die beiden Ritter erkannten, daß die Unterhandlungen mit ihnen absichtlich in die Länge gezogen wurden, wollten sie eine Stunde vor dem Vesperläuten die Stadt verlassen. Als dies der Kaiser erfuhr, ließ er die Vesperglocke vor der Zeit anschlagen, die Gatter fielen, die Zugbrücken gingen in die Höhe, und die beiden Ritter fielen in Gefangenschaft. Zwischen den beiden Murtoren wurden sie sofort enthauptet. Die Leichen der Hingerichteten bestattete man im Kreuzgang der Franziskanerkirche, die Leiche Baumkirchners überführte man später nach Schlaining.

Als Martha, die mutige Tochter Baumkirchners, von der heimtückischen Gefangennahme ihres Vaters erfuhr, ritt sie eilends nach Graz, um den Vater zu retten. Es war aber schon zu spät! Schon lag der enthauptete Vater in seinem Blute unter den Toren. Von namenlosem Schmerz ergriffen, tauchte Martha ihr Tuch in das Blut des Hingerichteten und schleuderte es mit einem Fluch den anwesenden Mitschuldigen ins Antlitz. Den Leichnam des Vaters legte sie in einen silbernen Sarg und führte ihn nach Schlaining, wo sie ihn in der Marienkirche bestatten ließ. Die Marienkirche ist schon längst verschwunden, und nur wenige Mauerreste an der Stadtmauer lassen ihren einstigen Bestand erkennen.

Der Stein, der bei der Hinrichtung als Richtblock gedient hatte, wurde noch vor etwa hundert Jahren in einem Hause beim Stadttor als Wahrzeichen aufbewahrt. Seit der Enthauptung Baumkirchners und seines Genossen soll es bei diesem Tore unheimlich zugegangen sein. In stürmischen Mitternachtsstunden sah man Baumkirchner mit dem Kopf unterm Arm durch das Tor laufen. Man sagte auch, daß der Tochter Fluch in Erfüllung gegangen sei. Als der legendäre Stein verschwand, wurde der Geist Baumkirchners nicht mehr gesehen.


Quelle: Anton Mailly , Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Wien/Leipzig 1931, Nr. 81, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 195f.