Der verschwundene Bräutigam

Ein Bursch aus Frauenkirchen versprach einst einem armen Mädchen die Ehe, heiratete aber eine reiche Witwe.

Am Polterabend ging es recht lustig zu. Es wurde gezecht und gesungen, getanzt und gelacht, wie es eben Brauch ist an einem solchen Abend. Um Mitternacht benützte der Bräutigam eine kleine Pause, um draußen im Hof ein wenig frische Luft zu atmen, denn er war sehr erhitzt vom Tanzen und vom feurigen Wein, dem er recht eifrig zugesprochen hatte.

Einer seiner Freunde sah ihn beim großen Nußbaum stehen, der mitten im Hof emporragte, und er rief ihm zu, er möge bald in die Stube kommen, denn er fehle ihnen.

"Jetzt ist mir schon wohler", sagte der Bräutigam. "Ich komme gleich."

Die Freunde warteten auf ihn, aber er kam nicht.

Sie begannen ihn zu suchen und suchten die ganze Nacht nach ihm, aber vergebens, er war nirgends zu finden. Niemand konnte sich sein Verschwinden erklären.

Am nächsten Vormittag - es war an einem Sonntag - entdeckte ihn ein Fischer auf einer Sandbank mitten in der Donau. Er war völlig erschöpft und so schwach, daß er sich kaum bewegen konnte. Der Fischer brachte ihn auf seiner Zille ans Ufer.

Wie der Bräutigam in der Nacht auf die weit entfernte Sandbank gelangt war, blieb für ihn und alle anderen, denen er davon erzählt hatte, ein Rätsel, das nie gelöst wurde.


Quelle: Burgenland - Sagen und Legenden, Friedrich Schattauer, Waidhofen, 1980, S. 150ff, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 207f.