Die Hausschlange und das Mädchen

Man hat hier erzählt, daß eine Bäuerin auf dem Feld zur Arbeit hinausgegangen ist. Sie hat ein kleines Mädel gehabt. Und dem hat sie die Milch immer vorbereitet. Wenn ihre Tochter am Morgen aufstand, dann war die Milch für sie dort. Diese Schlange hat sich so gewöhnt daran, daß sie, wenn das Mädel aß, immer zu ihr hingegangen ist. Sie hat ihm geholfen, die Milch aufzuessen. Und einmal hat die Frau Milchfarfeln (Teignudeln) gemacht. Sie hat in die Milch so Nockerln gegeben.

Man wußte nicht, warum das Mädel immer so hungrig ist und warum immer so mager. Das Mädel ist immer magerer geworden. Und einmal ist die Mutter wieder von zu Hause weggegangen. Durch das Fenster hat sie aber belauscht, was das Mädel mit der Speise tut, wohin es sie gibt, warum es sie nicht ißt.

Und als die Frau so guckt, steht das Mädel vom Bett auf, geht zum Tisch und fängt zu essen an. Die Mutter schaut zu. Plötzlich kriecht eine Schlange auf die Bank hinauf, nicht wahr, und sie ißt mit dem Mädel. Als die Schlange immer nur die Milch gesoffen hat, schlug das Mädel mit dem Löffel auf den Kopf der Schlange.

"Du sollst nicht nur die Milch essen, du sollst auch Farferln essen."

Nicht wahr? Daraufhin rannte die Mutter hinein. Sie sah, daß jetzt die Schlange dort bei dem Mädel ist. Mein Gott, wenn die Schlange jetzt auf sie losgeht, was tut sie? Und die Schlange verschwand. Man hat ihren Platz gesucht, er wurde aber nirgends gefunden. Dann ging die Frau, die Mutter des Mädels, zum Priester. Ihn um Rat zu fragen. Er soll irgendeinen Rat geben, weil eine Schlange im Haus ist, weil bei ihnen eine Schlange haust und immer mit dem Töchterchen zusammen ißt. Und der Pfarrer sagte, daß man gegen sie nichts tun kann, weil jedes Haus eine Schlange hat. Und wenn man diese Schlange sieht, dann darf man ihr nichts tun. Denn wenn diese Schlange erschlagen wird, dann stirbt diese Familie bald aus.


Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Eisenstadt 1965, Nr. 246, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 245f.