Hexe will Neugeborenes entführen

Es ist in Schachendorf geschehen, im Meierhof, mit der Mutter vom Josef. Als das letzte Kind bei ihnen gekommen ist, so in den Dreißigerjahren, ist die Nachbarin in der Nacht immer zu ihr hineingegangen. Sie haben in einer gemeinsamen Küche gewohnt, wie es früher in den Knechtshäusern war. No, und die alte Mutter ist jede Nacht zu ihr hinübergegangen. Und sie wollte ihr immer das Kind wegnehmen.

Aber, ich weiß nicht wie, sie hat der immer ins Äug gespuckt. Und sie hat erkannt, wer die war. Sie, diese alte Mutter, hat ihr verboten, das weiterzusagen, wer es ist, die jede Nacht zu ihr hineinkommt. No, und sie hat auch ihrem Mann gesagt, was mit ihr ist, alles. Er hat darüber nur gelacht, so was gibt es nicht. No, und dann hat mein Vetter gesagt:


"No, ich werde diese Hexe schnappen."

Und dann hat auch er sie ganz schön lang belauert. Er hat ihr aber nicht begegnen können, daß er sie erwischt hätte. Und so schön langsam hat das aufgehört.

In solchen Fällen hat man Weihwasser und Rosenkranz unter den Kopf gegeben, unter den Polster. Daß kein böser Geist sie versuchen kann.

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Die Großmutter hat erzählt, daß ihr Mann, wie er klein war, wie er auf die Welt gekommen ist, dem seiner Mutter ist es so gegangen. Früher haben sie so eine Wöchnerin nur aufs Stroh hingelegt, damit sie nicht das Bettgewand schmutzig macht. Stroh hat's gehabt und so ein Leintuch drüber, und so ist sie gelegen. Und auf einmal kommt in der Nacht so eine Hexe und will ihr das Kind wegnehmen. No, und sie hat sich natürlich gewehrt, und da haben sie derart gearbeitet, daß das ganze Stroh im Zimmer herumgelegen ist. Sie hat nicht wollen das Kind hergeben, und die Hexe hat's wollen haben. Und nächsten Tag hat's dann erzählt, daß sie so einen Krampf gehabt hat in der Nacht. Daß eine Hexe da war, und die hat ihr wollen das Kind wegnehmen. Und das war der Beweis, daß das ganze Stroh im Zimmer herumgelegen ist.


Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Eisenstadt 1965. Nr. 7 u. 31, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 58.