Die Hexe reitet einen Schmiedegesellen

In der Nähe von Rechnitz, dort wo die Bucklige Welt in das Burgenland hineinragt, stand ehemals eine Schmiede, in der neben dem Meister ein Geselle und ein Lehrjunge die Arbeit verrichteten. Lehrbube und Geselle schliefen in der Kammer in einem breiten Bett, das Raum genug für beide bot. Der Geselle hatte sich schon lange Gedanken darüber macht, warum der Junge des Nachts oft nicht im Bett lag, täglich blasser wurde und vor Schwäche kaum mehr arbeiten konnte. Da stellte er ihn eines Tages zur Rede, und der Junge erzählte ihm sichtlich verlegen:

"Da sind die Hexen dran schuld. Um Mitternacht weckt mich oft eine Hexe aus dem Schlaf, befiehlt mir aufzustehen und wirft mir ein Zaumzeug über den Kopf. Dann fühle ich mich sogleich in ein Pferd verwandelt. Sie schwingt sich auf meinen Rücken und rast wie der Wind zum Haus hinaus. Nun geht es kreuz und quer durch die Luft, mit der Peitsche treibt sie mich zu immer größerer Schnelligkeit an, bis ich nicht mehr weiter kann."

Der Schmiedgeselle lachte über diese Erzählung des ehrlichen Jungen. Er hielt das Ganze für die Ausgeburt einer krankhaften Einbildung. Aber als er weiter die gleichen Beobachtungen machte und der Junge immer trübsinniger wurde, begann er doch nachdenklich zu werden und beschloß, es mit einer List zu versuchen. Er tauschte mit dem Buben die Schlafstelle, legte sich angekleidet auf das Bett und wartete, ob der unheimliche Besuch sich wirklich einstellen werde. Und richtig, genau um Mitternacht erschien die Hexe, sie hatte - ein Gruseln lief dem Gesellen über den Rücken -wirklich ein Zaumzeug in Händen. Aber er überwand seinen Schrecken, packte fest an und warf der gespenstischen Gestalt flugs das Zaumzeug über den Rücken. Und augenblicklich war die Hexe in ein Pferd verwandelt.

"Lehrbub!" brüllte er seinen schlafenden Bettkameraden an, "steh auf, schau dir einmal dieses Teufelsroß an! Komm, wir wollen es beschlagen, damit es seinen Ritt besser machen kann!" Sie packten das sich sträubende Hexenpferd und zerrten es in die Schmiede, wo sie es kunstgerecht beschlugen. Sodann schwangen sich beide auf den Rücken des Pferdes und ritten hinaus in die helle Mondnacht. Sie hetzten es unter Hussa und Holla über Wiesen und Felder, daß es schnaufend und schäumend fast nicht mehr weiter konnte; dann lenkten sie es zur Schmiede zurück, stiegen vom Rücken des zitternden Gauls und jagten ihn mit ein paar tüchtigen Gertenhieben zum Teufel.

"Hoffentlich hat das Biest jetzt genug für immer", meinte lachend der Geselle, als er mit dem Lehrbuben wieder sein Lager aufsuchte.

Aber am nächsten Tag sollten sie erst ihr Wunder erleben! Als der Geselle mit dem Buben sich frühmorgens an den Tisch setzte und auf das Frühstück wartete, ließ sich die Meisterin nicht blicken, und auch der Meister begann ärgerlich über diese nachlässige Wirtschaft zu murren. Schließlich ging er zornig in die Schlafstube, wo die Meisterin noch im Bett lag. Schimpfend riß er die Decke vom Lager herunter, aber entsetzt fuhr er zurück; da lag die Meisterin, aber Hände und Füße waren mit Hufeisen beschlagen. Der arme Meister erschrak so sehr, daß er vom Schlag getroffen tot zu Boden stürzte. Geselle und Lehrjunge verließen noch am gleichen Tag eiligst die unheimliche Schmiede. Die Meisterin aber verfiel ihrem Schicksal, sie wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

*

Das hab' auch ich nur so gehört, und ich erzähle die ganze Sache so, wie ich sie gehört habe. Es waren also einmal ein Schmiedegeselle, der Meister und der Lehrling. Der Geselle und der Lehrling schliefen in einem Zimmer. Der Meister wußte nicht, daß seine Frau eine Hexe war. Die Frau dieses Meisters, diese Hexe, hat diesen Lehrling jede Nacht gesattelt. Er schaute so schlecht aus, und der Meister hat zu ihm gesagt:

"No, was ist mit dir? Du ißt gut genug und alles, und du schaust immer so schlecht aus."

Ja, sagt er, er wird jede Nacht gesattelt.

"Wer sattelt dich denn?"

No, das weiß er nicht, sagt er, aber er wird jede Nacht gesattelt.
Sagt darauf der Schmiedmeister zum Gesellen:

"Für eine Nacht werden wir Platz tauschen."

Der Geselle sagt, er legt sich jetzt ins Bett des Lehrlings und der Meister auf seinen Platz. Er wird sie dann erwischen.

Der Geselle aber dürfte etwas gekonnt und gewußt haben, denn anders hätte er diese Hexenfrau nicht erwischen können. Nun hat also auch er Zügel und Sattel und alles vorbereitet. Also hinein ins Zimmer. Und als diese Hexenfrau kam und sie ihn satteln wollte, hatte er schon alles vorbereitet gehabt. Wie er so zugedeckt war, hatte er schon alle Sachen in der Hand. Er riß sich die Decke hinunter und warf ihr alles über den Hals. Und da hat sie sich in ein Pferd verwandelt. Dann setzten sie sich, er und der Meister, mitsammen darauf, und vorwärts! Sie trieben es so lange, als das Pferd nicht schäumte. Sie haben es gut hin- und hergejagt. Und dann nach Hause. Nun mußte man es mit Hufeisen beschlagen, denn es hatte keine Hufeisen. So haben es der Knecht und der Meister beschlagen, und dann ließen sie es frei. Sie nahmen den Sattel und alles herunter und los! Es ist weggegangen.

No, tags darauf ist es schon Mittag geworden. Sie waren beim Meister in Kost. Seine Frau war aber krank, sie stand nicht auf. "No, was ist mit ihr?" sagt er. "Gestern hat sie noch nichts gehabt, und heute ist sie so krank, daß sie nicht einmal Mittagessen kochen kann? Man muß nachschauen."

Der Geselle aber hat geahnt, daß bei der ganzen Sache etwas nicht stimmt. Einmal hatte er schon etwas beobachtet, als es Topfennudeln gab und sie den Topfen auf die Nudeln gespien hatte, die Frau des Meisters. Und seitdem hat er dort die Topfennudeln nie gegessen. No, und jetzt schauen sie zu der Frau, was mit ihr passiert ist. Als sie die Decke von ihr herunternahmen, da sahen sie, daß ihre Hände und Füße beschlagen waren. Daraufhin, so sagt man, habe der Meister seine Pistole genommen und seine Frau erschossen. Und, so sagt man, er habe keine Strafe bekommen, denn es war nachgewiesen, daß seine Frau wirklich eine Hexe gewesen sei.



Quelle:Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Nr. 125, Eisenstadt 1965, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 53ff.