Von Hexen in Au und ihren Zauberkünsten
Au am Leithagebirge, Burgenland © Harald Hartmann
Au am Leithagebirge, Niederösterreich
© Harald Hartmann, August 2006

Ein Bauer aus Au ging einmal um Mitternacht nach Hause, da sah er eine ganz in Schwarz gekleidete Frau auf sich zukommen, die ihn mit feurigen Augen bös anblickte. Erschrocken suchte der Bauer das Weite. Eine ähnliche Begegnung mit einer weiß vermummten Gestalt hatten gleichfalls zwei Bauern aus Au, die zur mitternächtlichen Stunde heimgingen. Einer der Bauern erkannte in der Gestalt eine Bäuerin des Dorfes, die ihm mit dem Tode drohte, falls er ihren Namen verraten würde. Der Bauer ließ sich auch nicht dazu bewegen, den Namen zu nennen.

Zwei Bauern aus Au, welche Bürteln nach Mariental verkauft hatten, wollten des Nachts aufbrechen, um am nächsten Tage zeitig ihre Ladung abliefern zu können. Vor Mitternacht ging einer der Fuhrleute seinen Fahrtgenossen wecken. Als er beim Hause Nr. 24 (ich habe in diesem Hause öfters übernachtet) vorbeikam, gewahrte er aus den Fenstern Licht schimmern. Neugierig, wer noch zu so später Stunde auf sei, blickte er durch eine kleine Fensterspalte ins Zimmer und sah vier in Leintüchter gehüllte Frauen, um einen Tisch sitzend, essen. Eine der Frauen drohte ihm mit erhobener Faust. Im selben Augenblick schlug es ein Uhr, und die vier Frauen waren verschwunden und das Zimmer in Dunkelheit gehüllt.

Der Bauer R. aus Au hatte die Frau L. schon lange im Verdacht, daß sie eine Hexe sei. Als er ihr einmal beim Pestkreuz begegnete, spuckte er vor ihr aus. Kurze Zeit darauf bekam er einen ganz schiefen Mund. Nun wußte er bestimmt, daß Frau L. eine Hexe sei.

Der Landwirt D. aus Au ging Vorjahren mit seiner Frau zu Fuß nach Wien Gänse verkaufen. Auf dem Rückwege rasteten sie in Himberg. Es war gegen zehn Uhr abends, stockfinster, und es regnete stark. D. weigerte sich, bei diesem Wetter nach Au zurückzugehen, und wollte in Himberg übernachten. Seine Frau bestand jedoch auf der Rückkehr. Sie brachen um halb elf Uhr auf, um elf Uhr gingen sie bereits an der Auer Kirche vorbei. (Der Weg von Himberg nach Au beträgt sechs Gehstunden.) D. war ein Sonntagskind und soll alles Böse, das nach dem Ave-Läuten ins Dorf kam, gesehen haben. "Macht's die Türen zu, denn ihr wißt nicht, was in den Ort kommt."

Daß es Hexen gibt und diese Begebenheiten wahr sind, daran zweifelt niemand. Lautet doch der Ausspruch eines Sonntagskindes: "In Au sind 27 Hexen und ein Hexenmeister." Auch Hexen, welche die Gestalt von Katzen annehmen und sprechen können, kommen vor.

Quelle:Sagen aus dem Leithagebirge, Alexander Seracsin, in: Unsere Heimat, 9. Jg. (1936), Nr. 8/9, S. 246ff. zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 49ff.