Hussein, der Türke

Um das Jahr 1650 waren in der Burg Forchtenstein viele türkische Kriegsgefangene untergebracht. Ein Teil haute den tiefen Brunnen in dem Kalkfelsen aus, die anderen arbeiteten im Schloß und auf den Feldern.

Ein gefangener Türke namens Hussein war auffallend traurig und niedergeschlagen, und der Gefangenenaufseher bemerkte oft, daß er im stillen weinte.

Als einmal der Burgherr, Graf Ladislaus Esterhazy, nach Forchtenstein kam, erzählte ihm der Aufseher von dem traurigen Hussein, und der gutmütige Graf nahm ihn mit nach Eisenstadt, wo Hussein zu leichten Arbeiten im Schloßgarten verwendet wurde.

Doch Hussein blieb schwermütig. Wehmütig und mit tränenden Augen schaute er oft und oft gegen Morgen.

Da ließ ihn eines Tages der Graf zu sich rufen.

"Warum bist du so traurig", fragte er teilnehmend, "was fehlt dir eigentlich?"

"Herr", antwortete Hussein, "du bist unendlich gütig zu mir, Allah möge dies lohnen. Mir fehlt nichts, aber mein Herz ist daheim. Meine Sehnsucht nach der Heimat, nach meinem Weibe und meinen beiden Kindern ist so groß, daß ich nimmer froh werden kann." Und Tränen stürzten aus seinen Augen.

"Sei ruhig, du sollst dein Weib und deine Kinder wiederhaben", sagte ergriffen der Graf. "Hier hast du Geld, reise heim, du bist frei." Hussein stürzte zu des Grafen Füßen, küßte sie und gelobte, ewig dieser Gnade zu gedenken.

Im Jahre 1652 kam es bei Tyrnau zu einem Zusammenstoß mit den Türken. Auch der Graf nahm an der Schlacht teil. Er ritt vor die Reihen seines Regimentes und ermutigte es zum Kampfe.

Ein Janitschar bemerkte den mutigen Anführer. Den kühnen Reiter muß ich mir aufs Korn nehmen, dachte er bei sich und bemühte sich, ihm näher zu kommen.

Und wirklich, es gelang ihm. Er setzte seine Muskete an, drückte los, und der Reiter stürzte schwer getroffen vom Pferde. Noch lebte er aber. Der Janitschar ritt herbei, tat einen wuchtigen Schlag auf den Helm - das Visier sprang auf - im selben Augenblick schrie der Janitschar laut:

"Allah, was habe ich getan? Ich habe meinen Wohltäter getötet! Tötet auch mich!"

Und mit ausgebreiteten Armen eilte er den Feinden entgegen. Von vielen Kugeln durchbohrt, stürzte er zu Boden. Es war Hussein.


Quelle: Sagen aus dem Rosaliengebirge, August Strobl, in: Heimatkundlicher Familienkalender, St. Polten 1949, S. 180, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 144f.