Der gehende Kinderstuhl

Und einmal ist mein Vater mit seinem Onkel jagen gegangen. Auf den Anstand. Und da hat der Mond schön geschienen. Und sie haben weit vom Dorf müssen weggehen. In den Hochwald. Für die Herrschaft, nicht? Und dann ist ihm so ein kleines Kindersesserl begegnet. Die Hex als kleiner Kinderstuhl. Der war grün und rot mit Stroh geflochten, wie es früher gewesen ist. Sie haben das Stroh gefärbt und den Stuhl eingeflochten, den Sitz eingeflochten mit dem. Und so ein kleiner Stuhl.

Und der Stuhl ist neben ihnen immer gegangen, neben dem Vater. Und der hat Angst gehabt, hat sich bei seinem Onkel immer fest angehalten und ist halt immer gegangen.


Hat er gesagt: "Ignaz-Onkel!"

Sagt er: "Furcht dich nicht, geh nur her, geh nur her, er tut dir nichts."

No, ist er wieder eine Weile gegangen, der Vater. "Ignaz-Onkel, gehn wir zurück!"

Hat er gesagt: "No, hörst, jetzt kann ich nicht zurückgehen!" Sagt er: "Setz dich drauf, brauchst nicht gehn."

"Ich setz mich nicht drauf! Ich setz mich auf den Stuhl nicht drauf."

Hat zum Onkel mein Vater gesagt, wie er halt noch ein Bursch war. "Ich setz mich nicht drauf!"

Und so sind sie über eine große Brücke, die hat vier Meter Wasserstand, die Brücke, Pinka heißen sie ihn, größer als unser Tauchen-Bach ist er. Und dort ist der Stuhl bis zur halben Brücke mit, und dann ist er hineingehupft ins Wasser. Der Stuhl ist hineingehupft.

Und sagt: "Dein Glück!"

Und unser Vater sagt: "Hab' ich nicht gesagt, Ignaz-Onkel, gehn wir zurück?"

Sagt er: "Du hast dich ja eh nicht draufgesetzt."

Das war eine Hexe und hätte den Buben, der hätte sich sollen draufsetzen, dann hätte sie ihn ins Wasser hineingetragen mit sich. War sie mitsamt dem Stuhl mit ihm hineingehupft. Ins Wasser. Und wie sie hineingehupft ist, sagt sie:

"Dein Glück."

Weil er sich nicht draufgesetzt hat.

Und mein Vater ist nicht mehr mitgegangen.


Quelle: Angaben zu den abergläubischen Erzählungen aus dem südlichen Burgenland (Burgenländische Forschungen, H. 33), Karoly Gaal, Eisenstadt 1965, Nr. 107, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 128f.