Die Klage
Die Klage wird als hageres altes Weib geschildert, das, wie die meisten Dämonen, sich als Werkzeug seines Unheils der Schicksalskugel bedient. Wohin die Kugel rollt, dorthin bringt die Klage Verderben und Tod. Hört man um Mitternacht die auch als feurig geschilderte Kugel in einem Hause winseln und rauschen, so muß man auf ein schweres Ereignis gefaßt sein. Steht man auf einer Treppe und blickt hinab, so sieht man oft einen unförmlichen Knäuel, blaue Funken sprühend, bald einer Kugel, bald einem Rumpf ähnlich, von Stufe zu Stufe emporhüpfen. In manchen Gegenden erscheint die Klage als kleines, altes Weib, "Heiliges Weib" genannt, das auf den Rücken des Wanderers hinaufspringt und sich weitertragen läßt. Mitunter versteht man auch unter Klage irgendeinen Todesverkünder, wie etwa die personifizierte Pest (Pestmandl, Pestjungfer) oder die Cholera.
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In einem Heidedorfe saß eines Abends ein Vater am Krankenbette
seiner Tochter. Zu seiner Bestürzung fiel plötzlich von der
Zimmerdecke ein schwarzer Gegenstand polternd herab. Es war eine sich
selbst drehende schwarze Kugel, die knarrend und sausend dahinrollte.
Der alte Mann erkannte die Schicksalskugel der Klage und trachtete, sich
gegen diese zu wehren, indem er eiligst auf einen Stuhl stieg, um von
ihr nicht berührt zu werden. Die Kugel durchkreiste sausend und tobend
das ganze Zimmer und verschwand schließlich unter dem Bette der
Kranken. Nach drei Tagen war sie eine Leiche - die Klage hatte sie geholt.
Quelle: Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Anton Mailly Wien/Leipzig 1931, Nr. 20 I u. II, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 100.