Der Spuk auf dem Klosterberg

Vor Jahrhunderten erhob sich auf dem so benannten Berge ein Kloster, dessen Ruinen noch zu sehen sind. In den Spinnstuben erzählten die Leute an langen Winterabenden, daß es dort oben um die Geisterstunde nicht geheuer sei und allerlei Spuk sich zeige. In den Ruinen hätten die Mönche in Kriegszeiten einen großen Schatz verborgen. Als der Feind kam, metzelte er alle Mönche nieder und zerstörte auch ihr Kloster. Schon mancher hätte versucht, den Klosterschatz zu heben, doch niemandem wäre es gelungen.

Einmal beschlossen drei mutige Burschen aus Piringsdorf, auf dem Klosterberg ihr Glück zu versuchen. Eines Abends machten sie sich auf den Weg und trafen nach einer mehrstündigen Wanderung vor Mitternacht auf dem Klosterberg ein. Einsam, vom Mondlicht übergössen, lag die Ruine da. Als die Mitternacht herannahte, gelobten sie Stillschweigen, und nun begann das Zauberwerk. Mit geweihter Kreide zogen sie den Zauberkreis, stellten sich rasch hinein, und einer murmelte die Beschwörungsformel. Dann warteten sie still und schweigend. Vom Tal herauf ertönten zwölf Glockenschläge, und die drei Burschen erlebten alsbald ihre Wunder. Lautlos nahte ein Geisterzug. Feierlich schritten die Geister der Klosterbrüder paarweise an den Burschen vorbei. Vor Schreck erstarrt, wagten die drei kaum zu atmen. Der letzte Mönch trug einen großen Schlüssel und warf mit seinen gläsernen Augen einen so drohenden Blick auf die überraschten Schatzgräber, daß der eine einen lauten Schrei ausstieß und ohnmächtig niedersank. Der Schlüsselträger war der Pförtner gewesen, der nach dem Tode die Rechte der Mönche auf ihren vergrabenen Schatz geltend machen wollte. Als der Spuk vorbei war, verließen die drei Burschen, von Grauen und Schreck gepeitscht, die Ruine und eilten, so schnell sie konnten, den Berg hinab. Der Bursche, der beim Anblick des Zuges ohnmächtig geworden war, konnte sich nicht recht erholen, fing an zu kränkeln und starb kurze Zeit darauf.

Quelle: Anton Mailly, Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Wien/Leipzig 1931, Nr. 8, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 226ff.