Noch eine Geschichte von einem unchristlichen Pfarrer

Da war ein Armer, und der hat kein Weib (keine Frau) und kein Kind gehabt. Sein Brot hat er sich von Haus zu Haus gesammelt und einen Tag hat er in dem Dorf geschlafen, den anderen Tag in einem anderen Dorf.

Jetzt wird er aber krank und stirbt über Nacht im Stall. Die Gemeinde nimmt sich aber seiner nicht an, weil er nicht dort gebürtig ist, und haben auch nicht gewußt, woher er ist. Aber da machen sie aus Brettern eine Kiste zusammen und legen ihn hinein und tragen ihn hin zum Friedhof und stellen ihn dort ab.

Sie sagen dem Pfarrer, er soll ihn eingraben, daß sie keinen Anstand haben, denn heraußen können sie ihn nicht lassen.

Der Pfarrer sagt:

"Es ist kein Geld da, und er hat keines, und meine Pflicht ist es nicht, daß ich ihn ohne Geld eingrabe."

Jetzt haben sie ihn draußen vor der Friedhofsmauer im Graben liegen lassen.

Drei Wochen ist er schon draußen gelegen, jetzt fährt gerade zufällig der König vorbei. Da gehen gerade ein paar (Leute) vorbei, und der König fragt, was das ist.

Sie sagen:

"Drei Wochen liegt ein armer Mann da drinnen, und der Pfarrer hat ihn nicht begraben, weil er kein Geld gehabt hat."

"Geht's hinein", sagt der König, "und holt mir den Pfarrer und zugleich auch acht Arbeiter, die die Gräber graben."

Sie tun nicht lange herum, da sind sie auch schon da.

"Sie, Pfarrer", sagt der König, "was ist denn da drinnen in der Kiste?"

"Ein armer Mann, und der hat kein Geld, und umsonst bin ich zu nichts verpflichtet."

"Und was kostet denn das?"

Sagt der Pfarrer:

"Zwanzig Gulden. Da ist auch der Schulmeister dabei und auch die Sänger."

Da greift der König in den Sack und gibt ihm die zwanzig Gulden. Er schickt gleich um den Schulmeister und um die Sänger. Hat den Toten hineintragen lassen in den Friedhof. Der Pfarrer muß aber auch gleich mit hinein.

Der König läßt aber gleich zwei Gräber machen. Wie sie fertig gewesen sind, lassen sie die Bahre in das eine Grab. Und die Sänger haben singen müssen, und der Pfarrer segnete ihn ein.

Und wie der Pfarrer fertig ist mit dem Einsegnen, nimmt ihn der König beim Rücken und wirft ihn in das zweite Grab hinein, und rechts stehen vier, und links stehn vier, und die müssen anfangen zum Zuschaufeln und machen dem Grab gleich einen Grabhügel drauf.

"So", sagt der König, "jetzt macht's das Grab auch zu, und so geht's jetzt jedem Pfarrer, der das tut."

Ist aufgesessen und fortgefahren.


Quelle: Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Johann R. Bünker, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding), Nr. 30, S. 66f, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 268f.