Der Peterneller Schatz

Meilen von Wien ist ein großer Flecken nebst einem schönen Schloß an den ungarischen Grenzen, Peternell genannt, welcher vor alters eine sehr berühmte Stadt war; wie man aus dem eingefallenen Gemäuer zur Genüge sehen kann. Es haben sich dahero viele Schatzgräber allhier eingefunden, um ihre Kunst zu probieren, in Hoffnung, große Schätze zu finden; sie sind aber, meines Wissens, alle mit Wind wieder zurückgewiesen worden. Einstmals ging ein Bürger aus Preßburg durch selbige Gegend, welcher von einem üblen Schuldmann ein gewisses Geld, auf welches er lange Staat gemacht hatte, einkassieren wollte, um seine schwere Wirtschaft damit zu unterhalten. Er mußte sich aber, wie es zu gehen pflegt, mit leeren Worten abspeisen lassen und also mit traurigen Gedanken wieder zurückkehren. Als er nun an diesen Ort kommt, setzt er sich auf einen großen Stein nieder, um ein wenig auszuruhen; da sieht er von ungefähr eine Öffnung von einem eingefallenen Keller, welche er sonst niemals, sooft er diesen Weg gegangen, wahrgenommen hatte. Er dachte bei sich selbst, es möchte ihm vielleicht hier etwas beschert sein, weil man doch so vieles davon zu sprechen wisse, daß in dieser Gegend herum große Schätze sollten vergraben liegen. Er kniete nieder und betete ein andächtiges Vaterunser, zog seinen Rock aus, ging in die Öffnung hinein und sah sich, wiewohl nicht ohne Grauen, darinnen um.

Da erblickte er in einer Ecke dieses großen Kellers ein kleines Licht, welches ganz blau brannte: Er ging auf selbiges zu und warf seinen Hut darauf, wie dergleichen einfältige Leute zu tun pflegen, wenn sie in der Hoffnung stehen, einen Schatz zu finden; griff darauf um sich herum, nachdem das Licht erloschen, und bekam unterschiedliche Sorten von Münzen in seine Hand, welche er aber im Finstern nicht erkennen konnte; steckte sie also bei sich, griff weiter und bekam noch etliche Händevoll, mit welchen er seinen Hut ausfüllte. Mit dieser Ausbeute ging er nun nach Hause; wies sie diesen und jenen, aber niemand wollte diese Münze kennen; bis endlich die ganze Sache an die Ungarische Kanzlei gelangte, vor welche er zitiert wurde und die Sache nach all ihren Umständen erzählen mußte. Darauf wurden ihm gewisse Deputierte von der Stadt zugeordnet, welche mit ihm an diese Gegend, wo er solchen Schatz gefunden, gehen sollten. Als sie aber dahin kommen, ist ihm nicht möglich gewesen, diesen Ort wiederzufinden. Die Münzen, welche benamtem Bürger beschert gewesen, waren alte römische Stücke und trugen am Wert 309 Gulden aus. Sie wurden ihm ausgewechselt und in verschiedenen Medaillen-Cabineter verschickt.


Quelle: W. E. Peuckert, Die Sagen der Monathlichen Unterredungen Otto von Grabens zum Stein, Berlin, Nr. 181, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 229f.