Des jungen Ritters traurige Heimkehr

In der Gegend des heutigen Mattersburg breitete sich vor langer Zeit ein großer Wald aus. Auf einer Anhöhe stand eine stolze Burg, in der ein Ritter mit seinen zwei Söhnen lebte. Von Abenteuerlust getrieben, zog der eine Sohn als Ritter frisch und frohgemut in die weite Welt.

Nach Jahren wurde aus dem Burgherrn ein Raubritter, dessen Spießgesellen in einer Höhle des großen Waldes hausten und dort ihr Raubgut aufspeicherten. An der alten Straße am Rande des Waldes stand ein Einkehrwirtshaus, in dem vorüberreisende Fremde und Kaufleute übernachteten. Dieser einsame Hof wurde allnächtlich von den Räubern durchsucht. Die Gäste wurden in den Wald geschleppt, dort getötet und ihre Leichen verscharrt. So sollten die Spuren der vielen Opfer verwischt werden.

Nach mehreren Jahren entschloß sich der junge Ritter, in die Heimat zurückzukehren. Er hatte viel von der Welt gesehen, Menschen kennengelernt und auch mancherlei Abenteuer auf der Wanderschaft und im Kriege bestanden. Er konnte wie kein zweiter sein Schwert führen. Als fremder Reitersmann langte er im Wirtshause am Wald an und wollte dort übernachten, um am folgenden Tag seine väterliche Burg zu erreichen. Der Wirtin tat der schmucke Ritter leid, da sie ihn für das nächste Opfer der Ritter hielt. Deshalb riet sie ihm, lieber weiterzuwandern, da es bei ihr des Nachts nicht geheuer sei. Doch der junge Ritter ließ sich nicht bewegen, ihren Rat zu befolgen, und meinte, er führe ein gutes Schwert und fürchte sich nicht. In der Nacht wurde er von drei Räubern überfallen. Rasch entschlossen hieb er mit seinem Schwert einen Räuber nieder und verwundete einen weiten, während der dritte die Flucht ergriff. Am nächsten Morgen sah es im Gasthaus aus, als ob nichts geschehen wäre; der Tote und der Verwundete waren verschwunden.

Erregten Herzens ritt der junge Ritter der väterlichen Burg zu. Zu seiner Verwunderung fand er sie wie ausgestorben. Am Burgtor fehlte der Pförtner, und im Burghof waren keine Wachen zu sehen. Der Ritter durcheilte die ihm wohlvertrauten Räume und begegnete keiner Seele. In einem Gemach stieß er auf eine aufgebahrte Leiche, die er als die seines Bruders erkannte, und in einem anderen fand er seinen sterbenden Vater. Reuevoll gestand ihm dieser, was alles geschehen sei, seitdem der Sohn fortgezogen war. Sein Vater war ein Raubritter geworden und mußte nun erleben, daß der Bruder den Bruder getötet und der Sohn den Vater zum Tode verwundet hatte.

"Wir haben kein besseres Los verdient!" seufzte der alte Mann und gab bald darauf seinen Geist auf.

Der junge Burgherr fand sich alsbald von seinen Getreuen umgeben. Der Schlupfwinkel der Räuber bei einer Quelle im Wald wurde entdeckt und die ganze Bande ausgerottet. Die Quelle, bekannt als Johannisbrunnen, ist vor vielen Jahren verschwunden.


Quelle: Lesebuch für die burgenländischen Volksschulen, Adolf Parr, Teil II, Wien/Leipzig 1929, S. 199f, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 178f.