Das verhinderte Schicksal

Da ist ein Bauer gewesen, der hat einen Knecht gehabt, der hat Hansl geheißen. Der ist recht brav und treu gewesen. In der Christnacht geht er um halb zwölf in den Stall, zieht sich aus und hat sich niedergelegt. So sagt ein Ochs zum anderen:

"Wir haben traurige Nachricht, daß unser Herr morgen sterben wird. Er wird morgen Mittag ein Kraut essen, in dem ein Knochensplitter steckt. Das bleibt ihm im Hals stecken, und er muß ersticken. Wir müssen ihn dann zum Friedhof hinausführen."

"Das wird freilich eine schwere Last für uns sein", sagte der zweite Ochse.

Wie sie am nächsten Tag essen, hat sich der Bauer Fleisch abgeschnitten und sich Kraut herausgeholt. Wie er die erste Gabel voll essen will, wirft es ihm der Hansl zurück auf den Teller. Der Bauer schaut den Hansl groß an. Er greift um die zweite Gabelvoll, wirft es ihm der Hansl noch einmal auf den Teller hinunter. Da sagt der Herr:

"Was machst du denn mit mir?"

Das drittemal wirft ihm der Hansl das Kraut noch einmal hinunter. Sagt der Bauer:

"Hansl, ich hab' dich immer gern gehabt, aber jetzt ist deine Zeit um, du kannst gehen."

Jetzt hat ihm der Hansl die Geschichte erzählt, die er von den Ochsen gehört hat. Sie suchen das Kraut gleich durch, haben den spitzen Knochensplitter auch tatsächlich gefunden im Kraut. Der Bauer hat sich darüber gefreut, hat den Hansl für sein eigenes Kind betrachtet und ihn verheiratet.


Quelle: Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Johann R. Bünker, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding), Nr. 23, S. 56, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 206f.