Das Steinbild in St. Martin

Bei Kobersdorf lebte eine reiche Bäuerin, die an einem hohen Feiertag ihre Magd auf die Wiese schickte, um Klee für das Vieh zu holen. Die Magd wollte aber den Tag nicht entweihen und sagte, sie gehe nur dann auf die Wiese, wenn die Sichel, die sie in die Luft werfen werde, auch wieder herabfallen würde. In frommer Absicht warf die Magd die Sichel in die Luft, und es geschah das Wunder, daß sie nicht wieder herabfiel. So weigerte sich das Mädchen, den Auftrag auszuführen.

Dieses Wunder bekehrte aber die stolze, übermütige Bäuerin nicht, und verärgert rief sie aus:

"Und selbst wenn der Teufel käme, ich werde trotzdem den Klee sicheln!"

Aber kaum begann die Frau ihre Arbeit, erschien plötzlich eine große Schlange, die sie warnte, an diesem feierlichen Tag zu arbeiten. Die Frau konnte vor Schreck nicht antworten und wollte mit der Sichel die Schlange töten. Wie ein Blitz sprang die Schlange auf sie zu und ringelte sich um ihren Hals.

"Entweder mußt du gleich sterben oder du trägst mich sieben Jahre um deinen Leib", sagte die Schlange.

Da die Frau weiterleben wollte, entschied sie sich für das letztere. Kurz vor Ablauf der sieben Jahre erkrankte die Frau und starb auch bald darauf. Die Schlange war über Nacht verschwunden. Der Hals der Toten war stark angeschwollen und wies ringartige Eindrücke auf.

Man kam später auf den Einfall, eine Frau mit einer Schlange aus Stein hauen zu lassen und dieses Steinbild zur Warnung auf dem Schloßbrunnen von Kobersdorf aufzustellen. Heute befindet sich das sagenhafte Steinbild im Herrschaftsgarten von St. Martin.



Quelle: Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Anton Mailly Wien/Leipzig 1931, Nr. 17, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 189f.