Die Ehe mit der Vila

Als noch mein Großvater lebte, erzählte er mir einmal, es ist schon lange her, daß er zu seiner Zeit noch Vilen gesehen hätte. Das waren liebliche Wesen gewesen, die alle Jahre, wenn die Herbstregen sich ankündigten, gegen Abend gerade, immer wieder auf den feuchten Wiesen sich einfanden, wo seinerzeit auch einige Erlen standen. Zuerst schwebten sie alle daher, daß man die einzelnen nicht unterscheiden konnte. Dann aber lösten sie sich zum Tanz. Sie sprangen und neigten sich und verschwanden manchmal zwischen den Erlen. Kam aber Wind auf, so trieb er sie wieder auf die Wiesen hinaus. Du kannst dir denken, sagte der Großvater, daß wir junge Burschen versteckt dem Reigen zuschauten; ein Kecker hatte sogar einmal auch seine Geige mitgenommen, damit die Vilen auch Musik hätten, aber sie machten sich nichts daraus. Doch kannst du dir die Aufregung vor Ort vorstellen, als der Geiger einmal abends mit einem fremden Mädchen vom Feld kam, das so schön war wie keine andere im Land. Vielleicht eine Woche darauf hielten sie Hochzeit und lebten glücklich miteinander, bekamen Kinder und wirtschafteten, daß es eine Freude war, denn alles, was der Ivan unternahm, brachte ihm Glück.

Und einmal war alles aus. Es war zur Erntezeit, und bei uns lag schon alles im Bett, denn heiß hatte die Sonne den ganzen Tag geschienen, und wir waren fleißig gewesen. Da klopfte es zuerst heftig an unserer Tür, dann ans Fenster, als ob es im Dorf brennen würde. Ich trat vor das Haus, und da stand Ivan und schlug sich die Hände vors Gesicht. Auf meine erschrockene Frage antwortete er schreiend:

"Meine Frau ist fort, und ich bin schuld daran!"

Ich zog den Verzweifelten in die Stube, und hier erfuhren wir, was ich immer geahnt hatte: Der schmucke Ivan hatte sich eine Vila zur Frau genommen, und sie war eine Irdische geworden, wie jede andere Bauersfrau; doch sollte er nie von ihr verlangen, daß sie tanze. Denn wenn sie wieder einmal tanze, dann würde sie wieder eine Vila und müsse die Menschen verlassen. Heute am Abend, als die Kinder schon schlafend lagen, hätten sie von vergangenen Zeiten gesprochen und er, der Ivan, hatte in seinem Glück das Versprechen vergessen und seine Frau zum Tanzen aufgefordert. Ein trauriger Blick von ihr hatte die Erinnerung wieder wach gemacht, doch es war zu spät. Seine Frau, die Vila, hätte zu tanzen begonnen, ein überlaufender Kessel hätte mit seinem Dunst die Stube gefüllt, und als er sich verzogen hatte, war die Vila verschwunden."

Ob sie sich nicht wieder gezeigt, und um ihre Kinder gesorgt hätte, wollten die Frauen wissen.

"Ich glaube nicht, wenn auch der arme Ivan behauptete, er hätte sie an manchen feuchten Herbsttagen am Fenster gesehen", meinte darauf Thoma. a)

*

Vor langer Zeit lebte in einem Dorf des südlichen Burgenlandes ein munterer Bursche namens Hans, den jedes Mädchen gerne zum Ehemann genommen hätte. Eines Tages kam Hans mit einem Mädchen ins Dorf geritten, das in seinem blauen Kleidchen bezaubernd schön aussah. Bald darauf heiratete er es. Über dieser Ehe lag ein großes Geheimnis. Man munkelte im Dorf, daß die schöne Frau eine Vila, eine gute Waldfee sei, die das Herz des Hans erobert hätte. Auch glaubte man zu wissen, er hätte ihr versprochen, ihre Herkunft geheimzuhalten, sie niemals Vila zu rufen und sie auch nicht aufzumuntern zu tanzen oder zu singen, sonst wäre es um beider Glück geschehen.

Jahre vergingen, und die beiden lebten mit ihren zwei Kindern in glücklichster Ehe. Es gab Tage, wo die junge Frau allein in den Wald ging und oft stundenlang ausblieb, aber ihre einsamen Gänge wußte Hans im Dorf nach Möglichkeit zu verheimlichen. Eines Tages kam Hans nach Hause, und wie er seine schöne Frau und die herzigen Kinder begrüßte, vergaß er sein Versprechen und jauchzte seiner Frau zu:

"Sing und tanz, Vila, wie damals auf der Waldwiese!"

Da trübte sich das schöne Gesicht der Frau, und sie begann zu tanzen und zu singen. Nun besann sich Hans seines Gelöbnisses. Er haschte eiligst nach ihr, um sie am Weitertanzen zu verhindern. Es war aber schon zu spät. Tränenerstickt stöhnte die Frau die Worte heraus:

"Hans, Hans, was hast du mir angetan! Nun ist's aus mit unserem Glück!"

Und wie ein Nebelhauch entschwand sie aus seinen Armen, und er blieb mit seinen Kindern verwaist zurück. Zwar glaubte Hans, die Waldfee hätte an Nebeltagen durchs Fenster nach ihren Kindern geschaut, aber sooft er hinauseilte, um sie zu erhäschen, war sie schon verschwunden. b)



Quelle: a) Volk und Heimat, !. Jg. (1948), Nr. 15, S. 8, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 233ff.
b) Anton Mailly, Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Wien/Leipzig 1931, Nr. 70, zit. nach ebenda