Von der Trud
Die Trud besitzt die Fähigkeit, durchs Schlüsselloch in die Stube einzudringen, weshalb es geraten ist, bei Geburten oder Krankheiten das Schlüsselloch zu verstopfen. Vorsichtige Leute lassen einen Stock weihen, mit dem sie von der Türe bis zum Bett auf dem Boden Kreuzchen machen. Als eine Trud sich einmal in einen Strohhalm verwandelt hatte, den man verbrennen wollte, entstand aus ihm sofort eine Frau, die um Gnade bat und erklärte, nun erlöst zu sein.
Im südlichen Burgenland fliegt die Trud nur in mondhellen Nächten in der Geisterstunde umher. Sie wird als auffallend häßlich geschildert und soll wie eine große Fledermaus mit zwei großen Flügeln und kralligen Pfoten aussehen. Im Stall setzt sie sich auf den Rücken der Tiere und "verhext" sie. Die Kühe geben keine Milch mehr und können auch nicht kalben. Als wirksames Mittel gegen die Trud gilt das Trudzeichen (Pentagramm) an der Haustür. Sieht die Trud das Zeichen, so verliert sie ihre Zauberkraft und meidet das Haus.
Ist eine Frau im Wochenbett, so wird sie und das Kind neun Tage lang
bewacht, damit die Trud das Kind nicht erwürge und die Hexen es nicht
verschreien. Unter den Polster der Frau wird ein Gebetbuch oder ein Hufeisen
gelegt. Oft gibt man der Mutter sofort nach der Entbindung einen Rosenkranz
in die Hand, und außerdem wird sie noch mit Weihwasser besprengt.
Es muß auch gesorgt werden, daß während dieser Zeit weder
Mutter noch Kind in einen Spiegel blicken. Nach neun Tagen trägt
die Mutter das Kind in die Kirche ("sie muß fürgehen"),
wo sie unter Gebeten eine brennende Kerze in der Hand hält und vom
Geistlichen gesegnet wird. Nach der Zeremonie gehen Mutter und Hebamme
um den Altar herum. Nun kann das Kind aus dem Hause getragen werden und
die Mutter wieder aufs Feld gehen.
Quelle:Adolf Parr und Ernst Löger, Sagen aus dem Burgenland, Anton Mailly, Nr. 53, Wien/Leipzig 1931, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 46f.