Der Vorwitzige

In früherer Zeit haben die Brunnen in der Weihnacht Wein gegeben. Es war ein Bauer, der hat drei Söhne gehabt. Sagt er zum Hansl:


"Heute müssen wir wegen dem Wein schauen. Schöpfen wir uns heute nacht ein Schaffl (Eimer), heute muß der Brunnen Wein haben, weil Weihnacht ist."

Sagen die Buben: "Wir getrauen uns nicht. Erst soll der Vater hingehen, und wir werden schon kommen, wenn der Vater den Wein gekostet hat."

Um halb zwölf geht er hinaus zum Brunnen im Hof.

"Ich werd' schon rufen, daß ihr dann mit dem Geschirr kommt."


Er hat geschöpft und getrunken, jetzt ist lauter roter Wein herausgeronnen. Schreit er:

"Hansl, kommt mit dem Schaffl (Eimer)!"


Da hat er eine Ohrfeige bekommen und war mausetot.

Wenn er nichts geredet hätte, hätte er schöpfen können, soviel er mögen hätte. Seit dieser Zeit rinnt zu Weihnachten kein Wein mehr.


Quelle: Schwänke, Sagen und Märchen in heanzischer Mundart, Johann R. Bünker, Graz 1981 (ergänzte Auflage von 1906, hrsg. v. K. Haiding), Nr. 23, S. 55f, zit. nach Sagen aus dem Burgenland, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 202f.