DER BÖSE BLICK

Davon wußte die heute über 70 Jahre alte Prax Kathl zu erzählen:

Als sie junge Sennerin in der Bruggeralm war, bekam eine Kuh ein ausnahmsweise schönes Kalb. Da kam ein alter Mann in den Stall. Er schaute das Kalb an und schon am nächsten Tage war es krank. Es wurde immer schlechter und schlechter und sie schickte dem Bauer darüber Nachricht. Als er kam, fragte er gleich, ob jemand Fremdes im Stall gewesen sei. Als sie ihm von dem alten Mann erzählte, wußte er gleich, was los sei. Er zog eine Schnur aus der Tasche und machte darauf den Bemoantenknopf. Es war dies eine große Schlinge, durch die das Kalb gezogen wurde, wobei es mit Weihwasser angespritzt wurde. Auf der anderen Seite der Schlinge sprang das Kalb auf und war gesund. Der alte Mann hatte den bösen Blick gehabt und dem Kalb das "Bemoante" angetan. Der Bauer gab der Sennerin den strengen Auftrag, niemanden mehr in den Stall zu lassen, der nicht zum Haus gehört.


Quelle: Zentralarchiv der deutschen Volkserzählung, Marburg 183 036, 1955