DIE PEST IN RANGERSDORF

Vor vielen Jahren, als sich die Pest in Oberkärnten schlagartig ausgebreitet hat, befand sich beim Wirt in Rangersdorf eine fröhliche Gesellschaft, die sich lustig und ausgelassen unterhielt. Es war zu ziemlich später Stunde, als die Leute das Gasthaus verließen. Auf dem Heimweg durch das Dorf begegneten den übermütigen Menschen erschrockene und verstörte Nachbarn. Auf die Frage, was denn Böses geschehen sei, erhielten sie die Antwort, daß während der Nacht im Dorf die Pest ausgebrochen war. Alle wurden jäh aus ihrer fröhlichen Stimmung gerissen und setzten ängstlich und besorgt ihren Weg fort. Auf einmal ließ sich eine Stimme vernehmen, die der schweigsam dahinwandernden Gruppe zurief: "Hättest gegessen Kranewitter, hättest gelebet länger!" Dreimal war dies zu hören. Die Menschen, die das gehört hatten, befolgten diesen Rat, aßen wirklich Wacholderbeeren und blieben von der Pest verschont.

In jener Zeit soll auch in Lobersberg die Pest gewütet haben. Um dieser Seuche Einhalt zu gebieten, beschloß man, eine Jungfrau aus der Ortschaft zu opfern. Des Zinig einzige Tochter wurde als Opfer auserwählt. Man führte das ahnungslose Mädchen in einem weißen Kleid nach Rangersdorf herunter. Die Stelle auf dem Rangersdorfer Weg hinter den „Mahren" kennzeichnet noch die „Lucksteig Marter", ein einfacher hölzerner Bildstock, bei dem der Pfarrer von Rangersdorf die Opferprozession erwartete. Auf dem Rangersdorfer Friedhof wurde das Mädchen gebunden und in die Grube geworfen, die bereits vorher zu diesem Zweck ausgehoben worden war. Man setzte ihr drei Speere an die Brust, die ihr mit einem einzigen Schlag in den Leib getrieben wurden. Danach soll kein Bewohner der Ortschaft mehr an Pest gestorben sein.


Quelle: Gottlieb Schweiger, Der Burgfried Stall - Die Geschichte der Gemeinden Rangersdorf und Stall, Stall 1978, Seite 171 f.