DER HEILIGE REGEN

Vor vielen Jahren soll um Dürnkrut, einem Markte an der March, ein feindliches Heer gelagert haben, das im Lande viel Unheil angerichtet hat. Weil aber der liebe Herrgott nicht wollte, daß dieses Land in feindlichen Händen verbliebe, schickte er eine andauernde Dürre, so daß Gras und Baum verdorrte und die Krieger zum Rückzuge an die Donau gezwungen wurden. Daraus tranken sie aber mit solcher Gier, daß viele von ihnen starben. Die Leute des Marchfeldes ablagen indes unablässig dem Gebete, und endlich begann es so fürchterlich zu regnen, daß alles überschwemmt wurde. Wie das Wasser abgeflossen war, siehe, da ward wie durch ein Wunder der Boden neu befruchtet und alles trug doppelte Ernte, so daß die Menschen die Segnungen jenes heiligen Regens noch lange verspürten. Damals wollten auch die Leute gesehen haben, wie es der liebe Herrgott macht, wenn er über die Erde regnen läßt: Da heißt er nämlich eine Schar Engel nach den Kannen langen, und die gießen nun hieraus auf die Erde nieder, daß es eine Freude ist; weil sie aber das Wasser aus dem großen Garten holen müssen, der noch weit über den Wolken liegt, so werden sie bald müde, und darum regnet's im Marchfelde nie lange.

Erinnerung an die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen © Harald Hartmann

"Zur Erinnerung an die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen
am 26. August 1278 zwischen Rudolf v. Habsburg und Ottokar v. Böhmen
Gewidmet von den Marktgemeinden Dürnkrut und Jedenspeigen
1278 - 1978"
© Harald Hartmann, Oktober 2007


Quelle: Schukowitz, Mythen... des Marchfeldes: Zeitschrift für österreichische Volkskunde 3, 1897, 159f.;
Aus: Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 25, Seite 21f.