Die Gründung des Klosters Göttweig.

Zur Zeit, als Paris noch der Hauptsitz der Gottesgelehrsamkeit war, machten sich drei fromme Jünglinge und herzliebe Freunde namens Adalbero, Altmann und Gebhard auf, sich daselbst das Studium der göttlichen Wissenschaften angelegen sein zu lassen und so dereinst als eifrige Seelenhirten dem leidigen Satan allen möglichen Abbruch zu tun.

Auf ihrer Wanderung, die nach Jugendart geschmiedete Zukunftspläne und Hoffnungen kürzten, gelangten sie an den Fuß des Göttweiger Berges und hielten an einem fröhlich aufsprudelnden Brünndl wegesmüde erquickende Rast, waren im wonnesamen Waldesschatten gar glücklich und guter Dinge, ja sahen sich im voreilenden Geiste bereits am Ziele ihrer gottgefälligen Wünsche ... als Leutepriester ... ja sogar als Kirchenfürsten mit der Mitra auf dem geschorenen Haupte und dem kunstvoll gefertigten Krummstab in der Rechten. Und redeten hin und wider, was sie dann Gutes wirken wollten zum Heile der Seelen und zur Milderung irdischer Not als Führer zum himmlischen Jerusalem und als Väter der blutigen Armut. Und waren alle eines Sinnes, wie daß klösterliche Siedlungen ihre auserlesenen Werkzeuge fein sollten, und gelobten zur Stunde, es wolle jeglicher ein Kloster gründen, so ihres Heizens Sehnen in Erfüllung ginge.

Es hauste aber unfern des Brünndls in seiner Rindenzelle ein frommer Einsiedel, der labte die Jünglinge mit den Früchten des Waldes und mit wildem Honig und wußte zu berichten, es hätten vor Zeiten des Tales Bewohner, im heidnischen Irrglauben befangen, an selber Quelle der Göttin Holla, auf dem Waldberge aber ihrem obersten Gotte Wodan Opfer gebracht. Hierauf hätten die mächtigen Römer auf der weitschauenden Höhe ein Kastell errichtet und in ihm den allsehenden Sonnengott Apollo nebst vielen anderen Dämonen verehrt. Der Völkersturm habe aber mit ihrem Weltreiche auch das Kastell hinweggefegt und nunmehr lägen seit Jahrhunderten im Walde nur mehr die Trümmer, Ziegel und Steine mit seltsamen Runen, die er als ein des Lesens unkundiger Mann jedoch nicht zu deuten verstehe.

"Ei", sagte da, in Begeisterung aufflammend, Altmann, "haben ehedem die Heiden herabgeschaut auf ihr festes Mutaren und über den Strom auf Berge und mündende Täler, so soll wieder Christ herrschen auf der öden Stätte und huldvoll breiten seine segnenden Arme über das herrliche Land. Hier will ich einst, so der Herr mir Gewalt gibt, mein Kloster bauen, will ansiedeln fromme und gelehrte Mönche und auch kundige des Handwerks und Landbaues, auf daß sie der Seele und des Leibes pflegen aller, die da hausen in einsamem Gehöfte, in dörfischer Siedlung oder Stadtumfriedung."

Lächelnd lobte der greise Einsiedel seiner Waldgäste Gesinnung und Absichten, meinte aber im stillen, seiner eigenen hochfahrenden Jugendträume gedenkend, es wüchsen immer noch nicht alle Bäume in die Wolken.

Und sie wuchsen doch in den Himmel. Denn was die drei guten jungen Leute auf ihrer weiten Wanderung ersehnt hatten, das ward ihnen nach Jahren durch Gottes gnädige Fügung: Adalbero wurde Bischof von Würzburg, Gebhard Erzbischof von Salzburg und Altmann trug des Bistums Passau edelsteingeschmückte Mitra. Da gedachten sie dankbar ihrer jugendlichen Gelöbnisse, und also gründete Adalbero das Kloster Lambach an der Traun, Gebhard schuf die Mönchsheimat Admont im Berglande der oberen Enns unweit des in die Schlucht sausenden Flusses, Altmann aber ersah sich, da er auf seinen Besitzungen in Mutaren weilte, die Gelegenheit, ritt auf einem Maul den Berg hinan und fand des Ortes wunderherrliche Lage für das geplante Werk dermaßen geschickt, daß er, des Kastelles zerstreute Trümmer weise nützend, unverzüglich ein Kirchlein baute, selbes der heiligen Nonne Erintrudis zueignend. Dies geschah im Jahre des Herrn 1072.

Wie nun der böhmische König Wratislav II, von dem Werke hörte, sandte er dem geliebten Bischof durch seine Boten ein kunstvoll Bildnis der heiligen Maria, und so ist denn das Gotteshaus und das in späteren Jahren immer mächtiger emporwachsende Stift für alle Zeit der Himmelskönigin geweiht.

Das Brünndl aber, an dem die Jünglinge einst Pläne schmiedend rasteten, heißt bis zum heutigen Tage Altmanni-Brünndl; in einem Gange des Klosters schildern alte Bildnisse des Heiligen segensreiches Leben; ein Reliquiar zeigt in kunstvoll getriebener Arbeit drei am Fuße des, Berges rastende Jünglinge; in der Gruftkirche erblickt man die überlebensgroße, bemalte Steinfigur des Gründers von Göttweig.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 76 - 79.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.