König Richard Löwenherz und der treue Blondel.

Herzog Leopold der Tugendhafte hatte sich bei Erstürmung der Feste Akkon am 12. Juli 1191 ganz besonders hervorgetan, ja als erster das österreichische Banner auf dem Walle wehen lassen. Darob erzürnte der englische König Löwenherz dermaßen, daß er das Banner umstoßen und durch den Kot schleifen ließ.

Solche Verunehrung konnte sich der Herzog nicht bieten lassen und so ließ er dem König, da dieser auf dem Landwege verkleidet seiner Heimat zustrebte, auflauern und ihn im Rüdenhause zu Erdberg festnehmen, übergab ihn auch seinem getreuen Ministerialen Hadmar II. auf Dürnstein in ritterliche Haft, bis er seinen hochfahrenden Frevel durch ein Lösegeld gesühnt hätte.

Indessen harrten des Königs Getreuen in England vergebens seiner Rückkehr, doch nicht er kam, sondern nur die üble Kunde, er werde irgendwo in Deutschland oder in Österreich in Haft gehalten, dieweil er den Herzog schwer beleidigt habe und auch Kaiser Heinrich VI. ihm gram sei. Da machte sich des Königs Minstrel und Sänger Blondel auf, den Ort der Haft zu erkunden und den geliebten Herrn zu befreien. Er zog mit seinem Saitenspiel von Burg zu Burg, schlich, in dunkler Nacht vor die vergitterten Luken der Verliese und stimmte des Königs Lieblingslied an, das beide in glücklicheren Zeiten so oft miteinander gesungen hatten. Immer und immer wieder zog er enttäuscht, da das erwartete Echo aus Kerkermauern ausblieb, weiter und kam so auch vor die Bergfeste Dürnstein. Da ... horch! ... kaum hatte er die Laute in rührenden Akkorden ertönen lassen und des Liedes erste Worte wehmutsvoll in die Nacht hinaus gesungen, da setzte eine geheimnisvolle und doch so bekannte Stimme das Lied fort ... der König war gefunden und bald wurde er mit Englands gutem Gelde der Haft ledig.

Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920]. S. 71 - 73.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa Lemberg, Jänner 2005.